Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Zeug, alles …«
»Ich glaube, was die Polizei nicht benötigt hat, ist in das Haus gebracht worden, in dem die anderen Mädchen jetzt wohnen«, erklärt Elin. »Ich kann es so einrichten, dass jemand deine Sachen holt …«
Sie schaut zu dem Mädchen hinüber und denkt, dass ihr die Sachen vielleicht wichtig sind.
»Oder wir fahren dort kurz vorbei, wenn du dich dann besser fühlst …«
Vicky nickt.
»Möchtest du das? Okay, dann rufe ich Daniel an«, sagt Elin. »Es liegt ohnehin auf dem Weg.«
154
ES DÄMMERT SCHON zwischen den Nadelbäumen der Wälder, als Elin rechts nach Jättendal abbiegt und hinter Daniels Auto stehen bleibt. Er hat eine rosa Kühltasche herausgeholt und winkt ihnen zu. Sie steigen aus, vertreten sich die Beine, essen Käsebrote, trinken Limonade und blicken auf die Eisenbahnlinie und die Felder hinaus.
»Ich habe die Aushilfskraft da oben angerufen«, sagt Daniel zu Vicky. »Sie findet, dass es keine gute Idee wäre, wenn du zu den anderen Mädchen hineingehen würdest.«
»Aber was spricht denn dagegen?«, fragt Elin.
»Ich will sie ohnehin nicht sehen«, murmelt Vicky. »Ich will nur meine Sachen haben.«
Sie setzen sich wieder in die Wagen. Eine kurvenreiche Straße führt sie an Seen und falunroten Scheunen vorbei, durch den Wald und zur flachen Küste hinaus.
Sie fahren auf den Hof und halten vor dem Haus, in dem die Mädchen aus dem Haus Birgitta mittlerweile wohnen. Eine uralte schwarze Treibmine liegt neben einer alten Benzinpumpe, und auf den Telefonmasten hocken Sturmmöwen.
Vicky öffnet ihren Sicherheitsgurt, bleibt jedoch im Wagen sitzen. Sie sieht Elin und Daniel auf dem Kiesweg zu einem großen roten Haus gehen und hinter schwarzen Fliedersträuchern verschwinden.
Wo sich der Weg teilt, steht eine Mittsommerstange mit verdorrtem Laub. Vicky blickt auf die glatte Wasserfläche der Meeresbucht hinaus und greift nach dem Paket mit dem Handy, das Elin ihr geschenkt hat. Sie reißt das Siegel auf, hebt den Deckel ab, holt das Telefon heraus und zieht vorsichtig die Schutzfolie vom Display.
Die Mädchen stehen an den Fenstern, als Daniel und Elin die Treppe zur großen Veranda hinaufgehen. Aushilfskraft Solveig Sundström von der Jugendeinrichtung Sävstagården steht bereits vor der Haustür. Es ist unübersehbar, dass sie über diesen Besuch nicht sonderlich erfreut ist. Sie stellt unverzüglich klar, dass die drei leider nicht zum Essen bleiben können.
»Können wir kurz hineingehen und den anderen Hallo sagen?«, fragt Daniel.
»Lieber nicht«, entgegnet Solveig. »Es wäre besser, wenn Sie mir sagen könnten, was Sie haben wollen, dann gehe ich ins Haus und suche es heraus.«
»Es sind eine Menge Sachen«, versucht Elin ihr zu erklären.
»Ich kann nichts versprechen …«
»Fragen Sie Caroline«, sagt Daniel. »Sie weiß eigentlich immer Bescheid.«
Während Daniel sich nach dem Befinden der Mädchen erkundigt und wissen will, ob bei einer von ihnen die Medikation geändert wurde, steht Elin daneben und betrachtet die Mädchen am Fenster. Sie stoßen sich gegenseitig an, und sie kann durch das Glas ihre Stimmen hören. Sie klingen so gedämpft wie Geräusche unter Wasser. Lu Chu drängt sich nach vorn und winkt. Elin winkt zurück, und dann stehen Indie und Nina nebeneinander. Die Mädchen schauen abwechselnd hinaus und winken. Nur von der kleinen, rothaarigen Tuula ist nichts zu sehen.
Vicky setzt die SIM-Karte ins Handy ein und blickt auf. Ihr läuft ein Schauer über den Rücken. Es kommt ihr vor, als hätte sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung gesehen. Vielleicht war es auch nur der Wind, der durch das Laub des Flieders fuhr.
Es ist dunkler geworden. Vicky betrachtet Daniels Auto, die Mittsommerstange, die Fichtenhecke, den Zaun und den Rasen vor dem dunkelroten Haus.
Eine einsame Lampe leuchtet an einem Mast am äußeren Ende des Piers, und ihr Licht spiegelt sich im schwarzen Wasser.
Altertümliche Gerüste zum Säubern von Fischernetzen stehen auf einer näher am Hafen gelegenen Wiese. Sie sehen aus wie Reihen zusammengefügter Fußballtore mit hunderten Eisenhaken unter den Latten.
Plötzlich sieht Vicky, dass ein roter Ballon über den Rasen vor dem Haus rollt, in dem die Mädchen wohnen.
Sie legt das Handy in den Karton zurück und öffnet die Autotür. Die Luft ist lau und riecht nach Meer. In der Ferne hört man eine einsame Sturmmöwe.
Der Ballon rollt über den Rasen.
Vicky geht vorsichtig zum Haus hinauf, bleibt stehen und
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