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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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könnte etwas gesehen haben und so verängstigt sein, dass sie sich nicht mehr hinauswagt.
    Er biegt in den Flur mit den Zimmern der Mädchen. In den Holzwänden und Deckenbalken knackt es leise, aber ansonsten ist es still im Haus. In der Nische steht die Tür ohne Klinke einenSpaltbreit offen. Dahinter liegt die Tote mit den Händen vor den Augen auf dem Bett.
    Plötzlich erinnert sich Joona, dass er drei horizontale Streifen aus Blut auf dem Holzrahmen gesehen hat, der die Nische umgibt. Joona hatte sich die Streifen angesehen, war aber so damit beschäftigt gewesen, seine Eindrücke vom Tatort zu strukturieren, dass ihm erst jetzt klar wird, dass sie sich auf der falschen Seite befinden. Die Spuren führen nicht vom Ort des Mordes weg, sondern in die umgekehrte Richtung, weiter den Flur hinunter. Es gibt schwache, verwischte Fußspuren von Stiefeln und Schuhen und nackten Füßen, die in alle Richtungen führen, aber die drei Striche auf dem Rahmen führen nach innen.
    Die Person, die Blut an den Händen hatte, wollte noch in das Zimmer eines weiteren Mädchens.
    »Nicht noch eine Tote«, flüstert Joona vor sich hin.
    Er zieht Latexhandschuhe an und geht zum letzten Zimmer. Als er die Tür öffnet, hört er ein prasselndes Geräusch, so dass er plötzlich innehält, um besser sehen zu können. Das Geräusch verschwindet. Joona streckt im Zwielicht vorsichtig die Hand aus, um an den Lichtschalter zu kommen.
    Wieder vernimmt er das leise Prasseln und ein seltsames metallisches Klirren.
    »Vicky?«
    Er tastet nach der Wand, findet den Schalter und macht die Lampe an.
    Eine Sekunde später durchflutet gelbliches Licht das asketisch eingerichtete Zimmer. Es knarrt, und das Fenster zum Wald und zum See schwingt auf. In der Ecke raschelt es, und Joona erblickt einen umgekippten Vogelkäfig. Ein gelber Wellensittich schlägt mit den Flügeln und klettert an der Decke des Käfigs.
    Penetranter Blutgeruch hängt in der Luft. Eine Mischung aus Eisen und etwas anderem, Süßem und Ranzigem.
    Joona legt Trittplatten aus und geht langsam in das Zimmer.
    Rund um die Fensterhaken sind Blutflecken. Deutlich erkennbare Handabdrücke zeigen, dass jemand auf das Fensterbrett geklettert ist, sich am Rahmen abgestützt hat und von dort vermutlich auf den Rasen hinausgesprungen ist.
    Er geht zum Bett. Ein eiskalter Schauer läuft sein Genick hinauf, als er die Decke fortzieht. Das Betttuch ist überall mit eingetrocknetem Blut besudelt, aber der Mensch, der hier gelegen hat, ist nicht verletzt gewesen.
    Das Blut wurde abgewischt, in Streifen gezogen, verschmiert.
    Auf diesem Laken hat ein blutverschmierter Mensch geschlafen.
    Joona bleibt eine Weile stehen, um die Bewegungen zu deuten.
    Diese Person hat tatsächlich geschlafen, denkt er.
    Als er das Kopfkissen anzuheben versucht, hängt es fest. Es klebt am Betttuch und der Matratze. Joona löst es mit Gewalt. Vor ihm liegt in dunklem Blut mit braunen Klumpen und Haaren ein Hammer. Der größte Teil des Bluts ist vom Stoff aufgesogen worden, aber rund um den Kopf des Hammers glitzert es noch feucht.

20
    DAS HAUS BIRGITTA ist in schönes, mildes Licht getaucht, und der Himmelsjön glitzert magisch zwischen den hohen, alten Bäumen, aber es sind nur wenige Stunden verstrichen, seit Nina Molander aufgestanden ist, um auf die Toilette zu gehen, und Miranda tot auf ihrem Bett fand. Sie weckte alle, Panik brach aus, und die Mädchen riefen den Therapeuten Daniel Grim an, der unverzüglich die Polizei alarmierte.
    Nina Molander erlitt einen derartigen Schock, dass sie mit dem Krankenwagen ins Regionalkrankenhaus in Sundsvall gebracht werden musste.
    Auf dem Hof steht Gunnarsson mit Daniel Grim und Sonja Rask zusammen. Gunnarsson hat den Kofferraum seines weißen Mercedes geöffnet und darin die Skizzen der Kriminaltechniker vom Tatort ausgelegt.
    Der Hund an der Laufleine bellt pausenlos erregt und zerrt an seiner Leine.
    Als Joona hinter dem Auto stehen bleibt und sich mit der Hand durch die zerzausten Haare fährt, haben die drei Personen sich ihm bereits zugewandt.
    »Das Mädchen ist durchs Zimmerfenster abgehauen«, sagt er.
    »Abgehauen?«, fragt Daniel Grim verblüfft. »Vicky ist abgehauen? Aber warum sollte …«
    »Es ist Blut auf dem Fensterrahmen, es ist Blut in ihrem Bett und …«
    »Aber das heißt doch noch lange nicht …«
    »… und unter ihrem Kissen liegt ein blutiger Hammer«, erklärt Joona abschließend.
    »Das kommt doch nicht hin«, sagt Gunnarsson gereizt.

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