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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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Daniel festzuhalten, aber er nimmt ihre Hände fort und sagt etwas, was Flora nicht hören kann.
    Es klingt, als würde er über sie fluchen.
    »Wir gehen«, sagt Flora zu Daniel.
    Vater und Mutter starren sie an. Es gibt nichts mehr zu sagen. Sie verlässt mit ihrem Bruder das Esszimmer.

177
    FLORA UND DANIEL VERLASSEN DAS GUTSHAUS , steigen die breite Steintreppe hinunter, überqueren den Hof, gelangen auf den Kiesweg und gehen an einem freistehenden Gebäudeflügel vorbei zu einigen Wirtschaftsgebäuden.
    »Geh weiter«, murmelt sie, als er ihr zu langsam wird.
    Sie bewegen sich auf dem Kiesweg um die große rote Scheune herum und erreichen das Feld. Flora hält das Gewehr auf Daniels Rücken gerichtet und denkt daran, dass sie begonnen hat, sich an Fragmente aus ihren zwei Jahren auf dem Gutshof zu erinnern, es aber auch eine Zeit davor gegeben hat, die vollkommen schwarz ist und in der sie mit Daniel in einem Kinderheim lebte.
    Ganz am Anfang muss es jedoch auch eine Zeit gegeben haben, in der sie bei ihrer Mutter waren.
    »Willst du mich erschießen?«, fragt Daniel sanft.
    »Das könnte ich durchaus tun«, antwortet sie. »Aber ich möchte, dass wir zur Polizei gehen.«
    Zwischen den schweren Regenwolken kommt die Sonne heraus und blendet sie für einen Moment. Als die weißen Reflexe spärlicher werden, spürt sie, dass ihre Hände verschwitzt sind. Am liebsten würde sie die Handflächen an ihrer Hose trocken reiben, traut sich aber nicht, das Gewehr anders zu greifen.
    In der Ferne krächzt eine Krähe.
    Sie kommen an zwei Traktorreifen und einer alten Badewanne im Gras vorbei, folgen dem Kiesweg, der in einer weiten Kurve um die große, leere Scheune herumführt. Schweigendgehen sie an hohen Nesseln und verblühtem Feuerkraut entlang um eine Mauer herum, an der Säcke mit Blähtonkugeln gestapelt stehen.
    Es ist ein weiter Umweg, um den riesigen Acker zu erreichen.
    Als sie die Rückseite der großen Scheune erreichen, verschwindet die Sonne hinter ihr.
    »Flora«, murmelt er erstaunt.
    Ihre Arme werden langsam müde, und die Muskeln zittern.
    Weit voraus erahnt man die Straße nach Delsbo als Bleistiftstrich über die gelben Felder.
    Flora stößt Daniel mit dem Gewehrlauf zwischen die Schulterblätter, und sie gehen gemeinsam auf den trockenen Platz an der Scheune.
    Sie wischt sich hastig den Schweiß von der Hand und legt den Finger wieder auf den Abzug.
    Daniel bleibt stehen und wartet auf die Berührung des Laufs, ehe er an einem Betonfundament mit eingegossenen Ringen aus rostigem Eisen vorbei weitergeht.
    Entlang der rissigen Kante wächst Unkraut.
    Daniel hinkt inzwischen und wird immer langsamer.
    »Schön weitergehen«, sagt Flora.
    Er streckt die Hand aus und lässt sie durch das hohe Unkraut gleiten. Ein Schmetterling fliegt auf und tänzelt durch die Luft.
    »Ich habe mir gedacht, dass wir hier stehen bleiben könnten«, sagt er und wird langsamer. »Hier war nämlich der alte Schlachtplatz, als wir noch Vieh hatten … erinnerst du dich an das Bolzenschussgerät und wie sie die Tiere schlugen?«
    »Wenn du stehen bleibst, schieße ich«, sagt sie und spürt, dass ihr Finger am Abzug zittert.
    Daniel greift nach einer rosafarbigen, glockenförmigen Blüte und zieht sie vom Stängel ab, bleibt stehen, dreht sich zu Flora um und will ihr die Blume geben.
    Sie weicht zurück, denkt, dass sie schießen muss, kommt abernicht mehr dazu. Daniel hat bereits den Lauf gepackt und reißt das Gewehr an sich.
    Flora ist so verblüfft, dass sie nicht einmal rechtzeitig zurückspringt, als er ihr mit dem Kolben gegen die Brust schlägt, so dass sie auf den Rücken fällt. Sie ringt nach Luft, hustet, tastet mit der Hand um sich und steht wieder auf.
    Sie stehen sich gegenüber. Daniel betrachtet sie mit verträumten Augen.
    »Du hättest vielleicht lieber nicht gucken sollen«, sagt er.
    Mit einer schlaffen Bewegung senkt er das Gewehr, so dass der Lauf nach unten zeigt. Sie weiß nicht, was sie erwidern soll. Als ihr bewusst wird, dass sie an diesem Ort wahrscheinlich sterben wird, wird ihr vor Angst ganz flau.
    Über dem Unkraut fliegen kleine Insekten.
    Daniel hebt das Gewehr wieder an und begegnet ihrem Blick. Er setzt die Mündung auf ihren rechten Oberschenkel, und es wirkt fast absichtslos, als er die Waffe plötzlich abfeuert.
    Der Knall ist so laut, dass die Ohren hinterher klingeln.
    Das Vollmantelgeschoss durchschlägt Floras Oberschenkelmuskel, und sie spürt im Grunde keinen Schmerz, nur eine

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