Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
löst den Gurt um den Kindersitz und schaut den Jungen an, sieht nach, ob er verletzt ist und versucht, ihn zu beruhigen, bevor sie weiterfährt.
Vielleicht hatte sie ursprünglich vorgehabt, die Brücke zu nehmen, als sie plötzlich das Blaulicht des Streifenwagens an der Straßensperre am anderen Ufer sieht. In Panik biegt sie von der Straße ab, schafft es nicht mehr, den Wagen rechtzeitig zu bremsen und landet im Wasser. Die Vollbremsung führt dazu, dass Vicky mitdem Gesicht gegen das Lenkrad schlägt und das Bewusstsein verliert.
Als das Auto ins tiefere Wasser rollte, waren die beiden sicher schon ohnmächtig. Die Strömung erfasste ihre leblosen Körper und zog sie sanft und ruhig durch die offenen Fenster heraus und schleifte sie über den felsigen Grund.
Er zieht sein Handy aus der Tasche, um Carlos Eliasson anzurufen. Der Taucher vom Rettungsdienst steht bereits am Steg des Kraftwerks. Der blaue Taucheranzug schmiegt sich eng an seinen Rücken, seine Hände kontrollieren jeden Regler.
»Carlos Eliasson«, meldet sich sein Chef.
»Susanne Öst möchte die Ermittlungen einstellen«, sagt Joona. »Aber ich bin hier noch nicht fertig.«
»Das ist immer bedauerlich, aber der Täter ist nun einmal tot … und damit ist es finanziell leider nicht mehr zu vertreten, weiter zu ermitteln.«
»Wir haben keine Leichen.«
Er hört Carlos etwas murmeln und einen Hustenanfall bekommen. Joona wartet, während Carlos einen Schluck Wasser trinkt. Er denkt daran, dass er dabei war, Vickys Vergangenheit zu durchforsten, als der Kindersitz gefunden wurde. Dass er nach jemandem suchte, dem sie sich anvertraut hatte, jemand, der wusste, wo sie hingegangen sein könnte.
»Es kann Wochen dauern, bis die Leichen auftauchen«, flüstert Carlos und räuspert sich erneut.
»Aber ich bin hier noch nicht fertig.«
»Du bist so unglaublich stur.«
»Ich muss …«
»Es ist ja nicht einmal dein Fall«, unterbricht Carlos ihn.
Joona blickt auf einen schwarzen Baumstamm hinab, der in der Strömung treibt und mit einem dumpfen Knall gegen den Rand des Damms schlägt.
»Doch, das ist es«, sagt er.
»Joona«, seufzt Carlos.
»Die Indizien deuten auf Vicky hin, aber es gibt keine Zeugen, und sie ist nicht verurteilt.«
»Man verurteilt keine Toten«, sagt Carlos müde in den Hörer.
Joona denkt an das Mädchen, an das fehlende Motiv und daran, dass sie nach den brutalen Morden in ihrem Bett schlief. Er denkt an Åhlén, der behauptete, dass sie Elisabeth mit einem Hammer, Miranda jedoch mit einem Stein getötet hat.
»Gib mir noch eine Woche, Carlos«, sagt er ernst. »Ich muss einfach ein paar Antworten finden, ehe ich nach Hause komme.«
Carlos murmelt etwas neben dem Hörer.
»Ich verstehe dich nicht«, sagt Joona.
»Das ist nicht offiziell«, wiederholt Carlos lauter, »aber solange die internen Ermittlungen laufen, kannst du mit deinem Kram weitermachen.«
»Welche Mittel stehen mir zur Verfügung?«
»Mittel? Du hast nach wie vor lediglich einen Beobachterstatus und kannst nicht …«
»Ich habe einen Taucher bestellt«, fällt Joona ihm grinsend ins Wort.
»Einen Taucher?«, fragt Carlos aufgebracht. »Weißt du, was das kostet, wenn …«
»Und eine Hundeführerin.«
Joona hört Motorengeräusche, dreht sich um und sieht ein kleines graues Auto neben seinem parken. Es ist ein Messerschmitt Kabinenroller aus den frühen sechziger Jahren mit zwei Vorderrädern und einem Hinterrad. Die Tür geht auf, und Gunnarsson klettert mit einer Zigarette im Mund heraus.
»Ich entscheide hier, ob getaucht wird«, ruft Gunnarsson und eilt zu Joona hinüber. »Sie haben hier nichts verloren.«
»Ich bin als Beobachter hier«, erwidert Joona ruhig und geht zu dem Steg, auf dem sich der Taucher vorbereitet.
66
DER TAUCHER IST EIN MANN ANFANG FÜNFZIG mit beginnendem Übergewicht, aber breiten Schultern und muskulösen Oberarmen. Der Taucheranzug aus Neopren schmiegt sich um seinen Bierbauch und seinen Hals.
»Hasse«, stellt er sich vor.
»Die Überlauftore können leider nicht geschlossen werden, es besteht die Gefahr einer Überschwemmung«, sagt Joona.
»Ich verstehe«, erwidert Hasse kurz und schaut auf das aufgewühlte, reißende Wasser hinaus.
»Die Strömung wird sehr stark sein.«
»Ja«, sagt der Taucher mit ruhigem Blick.
»Schaffen Sie das?«
»Ich war Minenräumer bei der Küstenartillerie … schlimmer kann es hier eigentlich nicht kommen«, antwortet Hasse mit dem Anflug eines
Weitere Kostenlose Bücher