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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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würde das Kraftwerk die Überlauftore noch weiter öffnen. Müll, Stöcke und Blätter strömen senkrecht an seinem Gesicht vorbei nach unten.
    Als ein Baumstamm schnell näher kommt und hart gegen den Rand des Damms schlägt, zieht Gunnarsson das Kabel und die Rettungsleine zur Seite.

68
    HASSE BOMAN spürt, dass die starke Strömung ihn nach unten zieht. Wieder geht das viel zu schnell. In seinen Ohren tost das Wasser. Bei einem Zusammenprall könnte er sich beide Beine brechen. Sein Herz schlägt schnell, und er versucht, die Tarierweste noch weiter zu füllen, aber das Einlassventil klemmt.
    Seine Hände versuchen, die Geschwindigkeit zu drosseln, Algenschlieren lösen sich von der Betonwand und verschwinden mit der Strömung abwärts.
    Er verrät den Polizisten über ihm nicht, dass er allmählich Angst bekommt.
    Der Sog ist weitaus stärker, als er jemals für möglich gehalten hätte. Es geht immer schneller. Luftblasen und Sand rinnen durch den engen Lichtkegel und verschwinden. Jenseits des Lichtscheins ist alles vollkommen schwarz.
    »Wie tief sind Sie jetzt?«, fragt der Kommissar aus Stockholm.
    Hasse Boman antwortet nicht, hat keine Zeit, auf den Tiefenmesser zu schauen, muss diese Abwärtsbewegung stoppen. Eine Hand tastet nach dem Atemregler, während die andere versucht, ihn aufrecht zu halten.
    Eine alte Plastiktüte flattert vorbei.
    Er stürzt abwärts, versucht das Ventil auf dem Rücken zu erreichen, schafft es aber nicht, den Regler zuzuschrauben und stößt mit dem Ellbogen gegen die Betonwand. Er schlingert heftig, spürt das Adrenalin im Blut, denkt in Panik, dass er die Kontrolle über den Abstieg zurückgewinnen muss.
    »Sechsundzwanzig Meter«, keucht er.
    »Dann kommen Sie jetzt gleich zu den Gittern«, erwidert der Kommissar.
    Das Wasser, das entlang der glatten Betonwand zu den Gittern hinabgesogen wird, lässt seine Beine unkontrolliert zittern. Hasse fällt schnell und erkennt, dass er Gefahr läuft, auf abgebrochene Bretterenden oder scharfe Äste gespießt zu werden. Um sich halten zu können, wird er Bleigewichte lösen müssen, obwohl er auch weiß, dass er Gewichte behalten muss, um wieder zur Oberfläche aufsteigen zu können.
    Die Blasen der ausgeatmeten Luft, die seine Tauchermaske verlassen, verschwinden in einer glitzernden Perlenkette abwärts. Der Sog scheint noch einmal stärker zu werden, und eine neue Strömung wird immer kräftiger und trifft mit großer Kraft seinen Rücken. Das Wasser wird schnell kälter. Es fühlt sich an, als würde ihn der ganze Fluss gegen die Wand pressen.
    Er sieht einen großen grünen Zweig von oben durch das dunkle Wasser näher kommen. Er rutscht mit zitternden Blättern an der Betonwand entlang. Hasse Boman versucht, ihm auszuweichen, aber er verfängt sich in der Rettungsleine und schlägt gegen ihn, passiert zitternd und verschwindet anschließend rasch in der Dunkelheit.
    »Was ist passiert?«, fragt der Kommissar.
    »Hier ist eine Menge Müll im Wasser.«
    Mit zitternden Händen löst der Taucher Bleigewichte von seiner Weste und schafft es so endlich, den rasanten Fall zu stoppen. Zitternd hängt er an der Betonwand. Die Sicht wird im Licht der Lampe immer schlechter, Sand und Erde trüben das strömende Wasser.
    Plötzlich hält er inne, seine Füße sind gegen etwas gestoßen, er blickt hinab und begreift, dass er den oberen Rand des Gitters erreicht hat, einen Absatz aus Beton. Zahlreiche Äste, ganze Baumstämme, Laub und Abfall haben sich vor dem Einlaufgitterangesammelt. Der Sog durch das Gitter und in das Tor ist so kräftig, dass jede Bewegung unmöglich erscheint.
    »Ich bin jetzt an Ort und Stelle«, sagt er schnell. »Aber es ist schwierig, etwas zu sehen, hier unten hat sich jede Menge Mist angestaut …«
    Vorsichtig klettert er zwischen den großen Ästen hindurch und hält die Rettungsleine frei. Er überwindet einen vibrierenden Baumstamm. Hinter einem verdrehten Tannenzweig bewegt sich eine weiche und dunkle Gestalt. Als er sich ihr nähert, stöhnt er vor Anstrengung.
    »Was tut sich?«
    »Hier ist etwas …«

69
    DAS WASSER IST GRAU und vor dem Gesicht des Tauchers wirbeln Luftblasen. Er hält sich mit einer Hand fest, streckt die andere aus und versucht, die dichten Nadeln wegzubiegen.
    Plötzlich ist es direkt vor seinem Gesicht. Ein aufgesperrtes Auge und eine nackte Zahnreihe. Er keucht auf und rutscht, überrumpelt von der Nähe, fast ab. Es ist ein optisches Phänomen, dass man unter Wasser alles näher

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