Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
Vom Netzwerk:
Tochter …«
    »Geben Sie mir nur noch ein paar Minuten«, fleht Elin ihn an.
    »Wir müssen Sie hinaustragen, wenn Sie …«
    »Nein, jetzt reicht es aber«, sagt Daniel Grim mit erhobener Stimme. Er greift Elin stützend unter den Arm.
    Die Krankenschwester protestiert:
    »Sie darf sich nach sechs Uhr nicht mehr auf der Station …«
    »Halten Sie den Mund«, fährt Daniel Grim sie an und führt Elin aus dem Zimmer. »Wir unterhalten uns unten im Foyer oder auf dem Parkplatz weiter.«
    Sie gehen zusammen durch den Krankenhausflur, hören Schritte hinter sich, gehen aber dennoch weiter.
    »Ich werde zu den Mädchen im Haus Birgitta fahren und mit ihnen sprechen«, sagt Elin.
    »Sie wohnen da nicht mehr, man hat sie evakuiert«, erwidert Daniel.
    »Wohin?«
    Er hält eine Glastür für sie auf und folgt ihr anschließend.
    »In ein altes Fischerdorf nördlich von Hudiksvall.«
    Elin drückt auf den Aufzugknopf.
    »Lässt man mich zu ihnen, wenn ich dorthin fahre?«, erkundigt sie sich.
    »Nein, nur wenn ich Sie begleite«, sagt er, als sich die Aufzugtüren öffnen.

88
    ELIN UND DANIEL sitzen im BMW schweigend nebeneinander. Als sie auf die E 4 auffahren, greift Elin nach ihrem Handy und ruft Joona Linna an.
    »Entschuldigen Sie bitte die Störung«, sagt sie und kann nicht verhindern, dass ihre Stimme zittert.
    »Sie dürfen mich anrufen, so oft Sie wollen«, erwidert Joona freundlich.
    »Neben mir sitzt Daniel Grim. Er glaubt nicht, dass Vicky diese furchtbaren Dinge getan hat«, berichtet Elin schnell.
    »Alle Indizien sprechen gegen sie, genau wie …«
    »Aber es stimmt einfach nicht, Daniel sagt, dass sie nicht gewalttätig ist«, unterbricht sie Joona empört.
    »Sie kann sehr wohl gewalttätig werden«, widerspricht Joona.
    »Sie kennen sie nicht«, schreit Elin ihn fast an.
    Für einige Sekunden herrscht Stille, dann sagt Joona mit seiner ruhigen Stimme:
    »Fragen Sie Daniel nach dem Medikament Zyprexa.«
    »Zyprexa?«
    Daniel sieht sie an.
    »Fragen Sie ihn nach den Nebenwirkungen«, sagt Joona und beendet das Gespräch.
    Sie fährt eine Weile schnell an der Küste entlang und in die schier endlosen Wälder hinein.
    »Was sind das für Nebenwirkungen?«, fragt sie mit leiser Stimme.
    »Wenn man zu viel davon nimmt, kann man sehr aggressiv werden«, antwortet Daniel sachlich.
    »Hat Vicky dieses Medikament genommen?«
    Er nickt, und Elin verstummt.
    »Es ist ein gutes Medikament«, versucht Daniel zu erklären, schweigt dann jedoch wieder.
    Fast das gesamte Licht der Scheinwerfer wird von den äußersten Stämmen des Waldsaums aufgefangen, dahinter überlappen sich die Schatten, bis nur noch Dunkelheit bleibt. »Haben Sie gemerkt, dass Sie gesagt haben, Vicky sei Ihre Tochter?«, fragt Daniel.
    »Ja, ich weiß«, erwidert sie. »Eben im Krankenhaus. Das hat sich einfach so ergeben …«
    »Sie war ja auch für kurze Zeit Ihre Tochter.«
    »Ja, das war sie«, sagt Elin, den Blick auf die Straße gerichtet.
    Sie kommen am Armsjön vorbei, und der große See glänzt in der Dunkelheit wie Gusseisen, als Daniel tief Luft holt:
    »Mir ist gerade etwas eingefallen, was Vicky ganz am Anfang gesagt hat … aber jetzt ist es schon wieder weg«, sagt er und denkt eine Weile nach. »Ach ja, genau … sie sprach über chilenische Freunde, die ein Haus hätten …«
    Er verstummt, senkt den Blick zum Seitenfenster und wischt sich Tränen von den Wangen.
    »Elisabeth und ich wollten gerade nach Chile reisen, als dieses Erdbeben …«
    Er atmet ein und schweigt mit in den Schoß gelegten Händen.
    »Sie waren gerade dabei, von Vicky zu erzählen«, sagt Elin.
    »Stimmt … was habe ich gesagt?«
    »Dass sie chilenische Freunde hat.«
    »Ja …«
    »Und dass die irgendwo ein Haus hätten.«
    »Habe ich das gesagt?«
    »Ja.«
    »Verdammt«, murmelt er. »Was ist nur mit mir los? Also wirklich … das ist doch nicht normal – ich wäre besser im Krankenhaus geblieben.«
    Elin lächelt ihn schwach an:
    »Ich bin froh, dass Sie mitgekommen sind.«

89
    DIE SCHOTTERPISTE WINDET SICH durch den finsteren Wald, zwischen halb eingestürzten Scheunen und hälsingländischen Bauernhöfen hindurch. Wo die Straße endet, öffnet sich die Landschaft, und man sieht falunrote Häuser und das spiegelglatte Meer wie opalisierende Unendlichkeit. Behangen mit braunen Birkenblättern und verwelkten Blumen ragt noch die Mittsommerstange auf. In ihrer unmittelbaren Nähe steht ein großes Holzhaus mit einer schönen, zum

Weitere Kostenlose Bücher