Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
die meisten glauben nach wie vor,dass sie ertrunken ist, die Polizei hat die Suche nach ihr und dem kleinen Jungen eingestellt …«
»Aber Sie nicht?«
»Möglicherweise bin ich im Moment die Einzige, die sich für Vicky interessiert und der es dabei nur um sie geht«, sagt Elin.
Ihr fehlt die Kraft, ihn anzulächeln, sie schafft es einfach nicht mehr, ihre Stimme sanft und verbindlich klingen zu lassen.
»Und jetzt wollen Sie, dass ich Ihnen helfe, sie zu finden?«
»Sie könnte dem Jungen etwas antun«, versucht Elin es. »Sie könnte andere verletzen.«
»Mag sein, aber das glaube ich nicht«, entgegnet Daniel Grim und sieht sie mit einem vollkommen offenen Gesicht an. »Ich habe von Anfang an deutlich gemacht, wie sehr ich bezweifle, dass sie Miranda getötet hat, ich kann es immer noch nicht glauben …«
Daniel Grim verstummt, und sein Mund bewegt sich langsam, man hört kaum etwas.
»Was haben Sie gerade gesagt?«, fragt sie sanft.
»Was?«
»Sie haben etwas geflüstert«, sagt sie.
»Ich glaube nicht, dass Vicky Elisabeth getötet hat.«
»Sie glauben nicht …«
»Ich arbeite seit vielen Jahren mit verhaltensauffälligen Mädchen und ich … das kann einfach nicht sein.«
»Aber …«
»In meiner Laufbahn als Therapeut bin ich einigen wirklich finsteren Gestalten begegnet, die … die das Töten in sich hatten … die …«
»Aber Vicky gehört nicht dazu?«
»Nein.«
Elin lächelt breit und spürt, dass ihr Tränen in die Augen treten, ehe sie ihre Gefühle wieder unter Kontrolle hat.
»Das müssen Sie der Polizei sagen.«
»Das habe ich schon getan, sie wissen, dass Vicky meiner Einschätzung nach nicht gewalttätig ist. Aber ich kann mich natürlich auch irren«, sagt Daniel Grim und reibt sich fest die Augen.
»Können Sie mir helfen?«
»Haben Sie gesagt, dass Vicky sechs Jahre bei Ihnen gelebt hat?«
»Nein, sie war sechs, als sie bei mir wohnte«, antwortet sie.
»Was soll ich tun?«
»Ich muss sie finden … Sie haben sich viele Stunden mit ihr unterhalten, Sie müssen etwas über Kameraden, Freunde … oder was auch immer wissen.«
»Ja, vielleicht … Wir reden ziemlich viel über die Gruppendynamik und … ich kann mich einfach nicht konzentrieren, entschuldigen Sie.«
»Versuchen Sie es bitte.«
»Ich bin ihr ja fast täglich begegnet und habe … ich weiß es nicht genau, aber vielleicht fünfundzwanzig Einzelgespräche mit ihr geführt … Vicky ist … das Problem bei ihr ist, dass sie ziemlich oft verschwindet, in ihre Gedanken abdriftet, meine ich … deshalb würde ich mir vor allem Sorgen machen, dass sie den Jungen vielleicht einfach irgendwo, mitten auf der Straße, zurücklässt …«
»Wo versteckt sie sich? Gab es eine Familie, in der sie sich wohlfühlte?«
87
DIE TÜR ZUM KRANKENZIMMER geht auf, und die Krankenschwester kommt mit Daniel Grims Medikamenten herein. Sie bleibt abrupt stehen, erstarrt, als hätte sie etwas Unanständiges gesehen und wendet sich an Elin.
»Was geht hier vor?«, sagt die Krankenschwester. »Fünf Minuten hatten wir gesagt.«
»Ich weiß«, erwidert Elin. »Aber es ist wirklich sehr wichtig, dass ich …«
»Es ist fast halb sieben«, unterbricht die Schwester sie.
»Entschuldigen Sie«, sagt Elin und wendet sich erneut Daniel Grim zu. »Wo soll ich anfangen, nach ihr …«
»Raus hier«, schnauzt die Frau sie an.
»Bitte«, sagt Elin sanft und führt die Hände in einer flehenden Geste zusammen. »Ich muss wirklich mit …«
»Sind Sie schwer von Begriff?«, unterbricht die Schwester sie erneut. »Ich habe gesagt, dass Sie gehen sollen.«
Die Schwester stößt einen Fluch aus und verlässt den Raum. Elin packt Daniel Grims Oberarm.
»Vicky muss mit Ihnen über Orte oder Freunde gesprochen haben.«
»Ja, natürlich, aber ich kann mich an nichts erinnern, es fällt mir im Moment unheimlich schwer, mich …«
»Versuchen Sie es, bitte …«
»Ich weiß, dass ich völlig nutzlos bin, ich müsste mich natürlich an irgendetwas erinnern, aber …«
Daniel Grim kratzt sich heftig an der Stirn.
»Was ist mit den anderen Mädchen – müssten die nicht etwas über Vicky wissen?«
»Ja natürlich, das müssten sie … Caroline vielleicht …«
Ein Mann in weißer Kleidung betritt in Begleitung der Krankenschwester den Raum.
»Ich muss Sie bitten mitzukommen«, sagt er.
»Geben Sie mir noch eine Minute«, entgegnet Elin.
»Nein, Sie kommen jetzt mit«, sagt er.
»Es geht um meine
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