Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Wasser hin gelegenen, verglasten Veranda. Das Haus war einmal ein Dorfladen, ist jedoch seit ein paar Jahren im Besitz des privaten Pflegedienstunternehmens Orre.
Das Auto rollt sanft zwischen den Torpfosten hindurch, und als Elin ihren Gurt löst, sagt Daniel ernst:
»Sie müssen darauf gefasst sein, dass … also, diese Mädchen, sie haben es in ihrem Leben nie leicht gehabt«, sagt er und stupst seine Brille auf dem Nasenrücken hoch. »Sie testen Grenzen aus und werden Sie provozieren.«
»Damit komme ich schon zurecht«, erklärt Elin. »Ich bin auch einmal ein Teenager gewesen.«
»Das hier ist etwas völlig anderes – das verspreche ich Ihnen«, erwidert er. »Es ist nicht ganz leicht … nicht einmal für mich, denn manchmal können sie sich wirklich verdammt schäbig aufführen.«
»Und wie sollte man reagieren, wenn sie anfangen, einen zu provozieren?«, fragt Elin und begegnet seinem Blick.
»Das Beste ist, ehrlich und geradlinig zu sein …«
»Ich werde es mir merken«, sagt sie und öffnet die Autotür.
»Warten Sie, ich muss … bevor wir dort hineingehen«, sagt er. »Sie haben einen Wachmann im Haus, und ich möchte, dass er die ganze Zeit in Ihrer Nähe bleibt.«
Elin lächelt kurz:
»Ist das nicht ein bisschen übertrieben?«
»Ich weiß nicht, kann sein … ich meine nicht, dass Sie Angst haben müssen, aber ich … Es gibt zwei von ihnen, mit denen sollten Sie wirklich nicht alleine sein, nicht einmal für einen kurzen Moment.«
»Mit welchen?«
Daniel zögert kurz und antwortet dann:
»Almira und ein Mädchen namens Tuula.«
»Sind die beiden so gefährlich?«
Er hält die Hand hoch:
»Ich möchte nur, dass der Wachmann bei Ihnen ist, wenn Sie mit ihnen sprechen.«
»Okay.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagt er und lächelt sie beruhigend an. »Im Grunde sind sie alle unheimlich nett.«
Als sie aus dem Wagen steigen, merken sie, dass die Luft immer noch lau ist und nach Meer riecht.
»Irgendeines der Mädchen muss wissen, mit wem Vicky befreundet ist«, sagt Elin.
»Mag sein, aber es ist nicht gesagt, dass sie es uns auch erzählen wollen.«
Ein Weg aus schwarzen Schiefersteinen führt um das Haus herum zu einer Treppe, die zur Veranda und zur Eingangstür hinaufführt.
Elins hochhackige rote Sandaletten bleiben in dem nassen Gras zwischen den Steinplatten stecken. Es ist später Abend, aber eines der Mädchen sitzt noch auf einer Hollywoodschaukel gegenüber einem großen Fliederstrauch und raucht. Ihr ungeschminktes Gesicht und die tätowierten Arme leuchten in der Dunkelheit weiß.
»Daniel«, sagt das Mädchen lächelnd und schnippt die Zigarette ins Gras.
»Hallo, Almira. Das ist Elin«, sagt Daniel.
»Hallo«, grüßt Elin lächelnd.
Almira sieht sie an, erwidert ihr Lächeln aber nicht. Ihre dichten schwarzen Augenbrauen sind über der kräftigen Nase zusammengewachsen, und ihre Wangen sind voller dunkler Punkte.
»Vicky hat seine Frau erschlagen«, sagt Almira plötzlich und sieht Elin in die Augen. »Und als Elisabeth tot war, hat sie Miranda erschlagen … ich glaube, sie hört erst auf, wenn wir alle tot sind.«
Almira geht die Treppe hinauf und ins Haus.
90
ELIN UND DANIEL FOLGEN ALMIRA und gelangen in eine alte Bauernhausküche mit handgefertigten Kupfertöpfen, Flickenteppichen auf dem gebohnerten Fußboden und einer Speisekammer in der Ecke. An einem Fichtenholztisch sitzen Lu Chu und Indie, essen Eis direkt aus der Verpackung und blättern in alten Comics.
»Gut, dass du kommst«, sagt Indie, als sie Daniel sieht. »Du musst mit Tuula reden. Die ist echt total krank, ich glaube, sie sollte wieder Tabletten nehmen.«
»Wo ist Solveig?«, fragt er.
»Sie ist irgendwohin gefahren«, antwortet Almira und holt sich einen Löffel aus einer Schublade.
»Und wann ist sie gefahren?«, erkundigt sich Daniel skeptisch.
»Gleich nach dem Essen«, murmelt Lu Chu, ohne von ihrem Comic aufzublicken.
»Dann ist nur der Mann vom Wachdienst hier?«
»Anders«, sagt Almira und setzt sich auf Lu Chus Schoß. »Der war nur am ersten und zweiten Abend hier.«
»Was soll das heißen?«, fragt Daniel empört. »Was sagst du denn da? Seid ihr hier ganz allein?«
Almira zuckt mit den Schultern und beginnt, Eis zu essen.
»Ich muss das wissen«, fährt Daniel fort.
»Solveig wollte zurückkommen«, sagt Indie.
»Aber es ist doch verdammt nochmal schon acht«, erwidert Daniel und zieht sein Handy heraus.
Er ruft das Pflegedienstunternehmen an,
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