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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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gemein.«
    Er versucht, sie beruhigend anzulächeln, sieht aber vor allem entsetzlich traurig aus.
    »Wo ist Caroline?«, fragt Elin.
    »In ihrem Zimmer«, antwortet Lu Chu.
    »Kannst du uns hinbringen?«

91
    EIN EISKALTER FLUR führt von der Küche zu einem Aufenthaltsraum mit offenem Kamin und zum Esszimmer mit der verglasten Veranda zur Seeseite. Auf der einen Seite des Korridors reihen sich die Türen zu den Zimmern der Mädchen aneinander. Lu Chu geht in einer schlabbrigen Jogginghose und Turnschuhen mit heruntergetretenen Fersen vor Elin her. Sie zeigt auf ihr eigenes Zimmer und das von Tuula, ehe sie vor einer Tür mit einer kleinen bunten Porzellanglocke um die Klinke stehen bleibt.
    »Hier schläft Caro.«
    »Danke«, sagt Elin.
    »Es wird allmählich spät«, sagt Daniel zu Lu Chu. »Geh bitte Zähne putzen, und mach dich schon mal bettfertig.«
    Sie zögert kurz, geht dann aber zum Badezimmer. Als Daniel anklopft, klirrt die Porzellanglocke. Die Tür wird geöffnet, und eine junge Frau sieht Daniel mit großen Augen an und umarmt ihn dann behutsam.
    »Dürfen wir hereinkommen?«, fragt er sanft.
    »Natürlich«, antwortet sie und hält Elin die Hand zum Gruß hin. »Caroline.«
    Elin erwidert den Gruß und hält für einen kurzen Moment die dünne Hand in ihrer eigenen. Carolines helles Gesicht ist voller Sommersprossen und dezent geschminkt, die sandfarbenen Augenbrauen sind gezupft, die glatten Haare hat sie zu einem dicken, Zopf hochgebunden.
    Die Tapete ist bunt, am Fenster steht eine abgebeizte Kommode, und an der Wand hängt ein Bild von einem alten Fischer mit Südwester und Stummelpfeife.
    »Wir sind gekommen, um mit dir über Vicky zu sprechen«, sagt Daniel und setzt sich auf das gemachte Bett.
    »Ich bin vor vielen Jahren Vickys Pflegemutter gewesen«, erläutert Elin.
    »Als sie klein war?«
    Elin nickt, und Caroline beißt sich auf die Lippe und schaut aus dem Fenster auf der Rückseite des Hauses.
    »Du kennst Vicky ein bisschen«, sagt Elin nach einer Weile.
    »Ich glaube nicht, dass sie sich getraut hat, anderen Menschen zu vertrauen«, erwidert Caroline lächelnd. »Aber ich mochte sie … sie war ruhig und hatte einen echt kranken Humor, wenn sie müde wurde.«
    Elin räuspert sich und fragt ohne Umschweife:
    »Hat sie über Leute gesprochen, denen sie begegnet ist? Hatte sie vielleicht irgendwo einen Freund oder Freundinnen?«
    »Man redet so gut wie nie über alten Mist, sonst fühlen sich alle nur beschissen.«
    »Und was ist mit den guten Dingen – wovon träumte sie, was wollte sie machen, wenn sie rauskam?«
    »Manchmal haben wir rumgesponnen, im Ausland zu jobben«, sagt Caroline. »Sie wissen schon, Rotes Kreuz, UNICEF, aber wer würde uns schon nehmen?«
    »Wolltet ihr das zusammen machen?«
    »Das war doch nur Gelaber«, erklärt Caroline geduldig.
    »Mir ist da etwas durch den Kopf gegangen«, sagt Daniel und reibt sich die Stirn. »Ich war Freitag ja nicht hier, aber wenn ich es richtig verstanden habe, war Miranda im Isolierzimmer – weißt du, warum?«
    »Sie hat Tuula geschlagen«, antwortet Caroline sachlich.
    »Und warum?«, fragt Elin.
    Das Mädchen zuckt mit den Schultern:
    »Weil sie eine Tracht Prügel verdient hatte – dauernd klaut sie den anderen Sachen. Gestern hat sie meine Ohrringe mitgehen lassen, sie meinte, die wollten lieber bei ihr bleiben.«
    »Und was hat sie Miranda abgenommen?«
    »Als wir im See schwimmen waren, hat sie Vickys Tasche und am Abend Mirandas Halskette geklaut.«
    »Sie hat Vickys Tasche gestohlen?«, fragt Elin mit angespannter Stimme.
    »Sie hat sie ihr später wieder zurückgegeben, aber irgendetwas daraus behalten … ich habe nicht richtig kapiert, was es war, aber es war etwas, was Vicky von ihrer Mutter bekommen hatte.«
    »Wurde Vicky wütend auf Tuula?«, fragt Elin.
    »Nein.«
    »Vicky und Caroline sind nie in irgendwelche Streitereien verwickelt«, sagt Daniel und tätschelt Carolines schlanken Arm.
    »Daniel, wir brauchen dich hier«, sagt Caroline und sieht ihn mit schutzloser Miene an. »Du musst dich um uns kümmern.«
    »Ich bin bald zurück«, erwidert er. »Ich möchte wirklich hier sein, aber ich … ich bin noch nicht in der Verfassung, um …«
    Als Daniel seine Hand von ihrem Arm zurückzieht, versucht Caroline, sie festzuhalten:
    »Aber du kommst zurück? Tust du das?«
    »Ja, das tue ich.«
    Sie gehen hinaus, und Caroline steht in ihrem Zimmer und wirkt sehr einsam.

92
    DANIEL KLOPFT AN TUULAS TÜR.

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