Flammenopfer
Dieter, reich mir mal deinen Helm für die Lady.«
Keiner der Männer widmete ihr mehr Aufmerksamkeit als einen registrierenden Blick. Sie hatten zu tun oder waren erschöpft. Isabel atmete den brandigen Gestank ein und nahm sich vor, sich nicht zu übergeben.
» Herr Brauer, ich wollte sagen …«
Zwei Männer mit Plastiktüten kamen ihnen auf der Treppe entgegen. Spurensicherung, dachte Isabel und wandte den Blick auf die Stufen.
» Was denn?«
» Ich bin nicht offiziell mit den Ermittlungen betraut.«
» Nö, is mir klar. Der Traube ist ja gleich hergewackelt heut Morgen. Die haben alles aufgenommen und sind gleich wieder weg, wie immer. Sternenberg soll genauer hinkucken, ja?«
Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Offenbar erwartete Brauer keine Antwort. Durch die Holzbalken am oberen Treppenansatz drang Tageslicht.
Brauer sah sich nach ihren Schuhen um. Dann schob er eine Kiste mit verkohlten Holzteilen zur Seite und gab die Sicht auf das Dachgeschoss frei. » So, viel isset nich, was Se hier noch sehen können.«
Isabel glaubte auf einer unaufgeräumten Dachterrasse zu stehen. Es war kaum möglich, sich vorzustellen, dass an dieser Stelle noch in der Nacht eine Wohnung gewesen war. Eine Elster segelte über die Holzstümpfe. Isabel versuchte, Gegenstände zu erkennen, um sich zu orientieren. Aber so etwas wie Möbel konnte sie nicht sehen. Auf dem Boden lagen Holzplatten, deren Lack Blasen geschlagen hatte. Endlich sah sie ein Gebilde, das sie an einen umgekippten Herd erinnerte. Daneben klaffte ein Loch im Parkett, durch das Schaum in die darunterliegende Etage tropfte.
» Sind die Wohnungen unten auch betroffen?«
» Unbewohnbar, vorerst. Hauptsächlich schwerer Wasserschaden.«
» Und die Leute?«
» Zwei weibliche Personen konnten über Drehleiter gerettet werden. Der Rest is so rausjekommen. Hier oben hatten wir eine Leiche.«
» Wo lag sie?«
» Ungefähr da drüben.«
Isabel konnte keinen markanten Unterschied zwischen der Stelle, die Brauer ihr zeigte, und dem Rest des verwüsteten Gebietes erkennen.
» Die Leiche des Mannes war nicht gut erhalten, oder?«
» Es war nicht mal zu erkennen, dass es ein Mann war.«
Sie musste an Tareks Bemerkung denken, der Tote sei Jarczynski. » Aber hier wohnte ein Mann namens Anselm Jarczynski, oder?«
» Tja, das heißt ja noch nix.«
» Stimmt. Und Sie schließen aus, dass weitere Personen in der Wohnung waren?«
» Jau! So viel wissen wir tatsächlich.«
» Ist es eigentlich üblich, dass bei einem Wohnungsbrand im Dachgeschoss nichts übrig bleibt?«
» Sie meinen, keine Ziegel?«
An Ziegel hatte Isabel noch gar nicht gedacht. Sie sah sich um und suchte einen Schornstein. » Ich meine Ziegel und Wände und Pfeiler und was es sonst noch gibt.«
» Es war’n Flachdach. Da war’n also keine Ziegel. Obwohl es nich gerade zum Stil des Hauses gepasst hat. Ist ja zurzeit Mode. Da packen se einfach so’n Kasten aus Blech oder aus Holz oben drauf. Also, das hier war jedenfalls weder Blech noch Alu. Und gemauert war da erst recht nüscht.«
» Was denn sonst? Holz?«
» Klar. Mit Holz machen die heute ’ne Menge. Erstens isses leicht, zweitens billig. Sie müssen sich das wie so’n Holzkasten vorstellen. Der ist schnell zusammengezimmert. Kaum dass das alte Dach abgerissen ist, kommt so’n Penthaus drauf und is sofort beziehbar. Zeit is Geld, deshalb warten die nich lange.«
» Aber wenn die Wände aus Holz sind, ist es schlecht isoliert. Kann man da drin wohnen?«
» Nach innen sind die meistens wunderbar isoliert. Mineralwolle und so was. Meist komm’ dann außen noch Platten ran. Oder sie nehmen das Holz nach ’ner Weile weg und bau’n ’ne richtige Wand hin. Aber die hier haben gleich mehrere Fehler gemacht.«
» Aha. Welche?«
» Erstens kucken Se mal da nach links und da nach rechts. Fällt Ihnen was auf?«
» Hm. Ich weiß nicht. Nein?!«
» Brandmauern. Fehlen. Wenn Se’n richtiges Penthaus bauen, aus Beton oder so, dann brauchen Se keine extra Brandmauer. Aber wenn der Aufbau ganz aus Holz is, denn müssen die Seitenwände zu den Nachbarhäusern richtig hochgemauert werden. So hoch wie das Holzhaus.«
» Damit ein Brand nicht auf die Nachbargebäude übergreift?«
» Na ja, sagen wa mal: Damit wir’n paar Minuten Zeit mehr haben, um es zu verhindern.«
» Gut, es wurden also die Brandmauern weggelassen. Ein Verstoß gegen die Brandschutzverordnung?«
Brauer nickte und zuckte die Achseln.
» Und was ist der
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