Flammenpferd
flinken Fingern Schlinge für Schlinge neu ordnete. Misstrauisch verfolgte er ihr Tun und wich zurück, als sie mit der Longe in der Hand durch den Zaun stieg. Rasch nahm sie die aufgerollten Schlingen in die linken Hand und verbarg sie hinter ihrem Rücken, wie sie es bei Uschi Klinghöfer beobachtet hatte. Der Hengst scheute und begann, aufgeregt im Kreis zu traben, als sie versuchte, nach dem Strick im Kappzaum zu greifen. Als sie das baumelnde Ende zu fassen bekam, schlug er mit dem Hinterbein aus. Der Huf streifte ihren nackten Oberschenkel. Der Tritt hinterließ einen brennenden Schmerz. Erschrocken ließ sie los. Doch dann wurde ihr bewusst, dass sie in diesem Leben das Bein zu nichts anderem mehr brauchen würde, als bis in den Schuppen zu gelangen. Sie stürzte vor, warf sich gegen das Pferd und packte den Strick mit beiden Händen. Mit aller Kraft stemmte sie sich dagegen. Der Hengst bremste abrupt und setzte sich dabei tief auf die Hinterhand. Beinahe verwundert blieb er stehen. Er verharrte wie erstarrt, nur seinen Flanken zitterten, und auf dem rotbraunen Hals zeichneten sich dunkle Schweißflecken ab.
Kati rang nach Luft. Ihr rechtes Bein brannte wie von Säure übergossen, und als sie kurz darauf herab sah, entdeckte sie eine breite Schürfwunde. Die Haut darunter begann sich blau zu verfärben, blutete aber kaum, und das Bein tat weiter seinen Dienst, als sie versuchsweise einen Schritt zur Seite machte. Sofort fühlte der Hengst sich bedrängt und wollte vorwärts stürmen, aber sie rupfte heftig an der Serreta und zwang ihn zum Halten. Sie spürte seine Angst und fühlte sich elend dabei. Später würde er verstehen.
Vorsichtig, um Fadista nicht zu erschrecken, hakte sie den Karabiner in den Ring, der in den Strick geknotet war, und bewegte sich rückwärts auf das Tor zu. Fadista kam mit kurzen steifen Schritten hinterher. Er drohte und legte die Ohren zurück, griff aber nicht an. Kati schob das Tor auf und führte den Hengst nach draußen. Sie redete ihm gut zu, als er sich um den Stall herum führen ließ. Während sie langsam weiter ging und das Pferd mit zwei Pferdelängen Abstand an der straff gespannten Longe folgte, warf sie einen Blick zum Haus, konnte aber weder Benni, noch das Mädchen entdecken, und Billi träumte auf der Veranda weiterhin seinen Hundetraum. Fadista schnorchelte aufgeregt durch die Nüstern und blieb zaghaft stehen, als sie ihr Ziel erreichten. Ein Ruck an der Serreta genügte, und er ließ sich widerwillig, aber gehorsam in den dunklen Schuppen führen.
Es war eng vor dem Oldtimer, und als Kati an der Wand entlang um den Hengst herum schlich, zog er sich zurück, bis er mit den Hinterbeinen die Stoßstange berührte. Erschrocken bäumte er sich auf und sprang vorwärts, aber Kati war schneller gewesen und hatte blitzschnell die Tür zugezogen. Schlagartig umfing sie die Dunkelheit. Fadista blies den Atem scharf durch die Nüstern. Kati kniete neben dem Wagen nieder und tastete mit hastigen Armkreisen nach dem armdicken Knüppel, den sie schon vor Tagen unter dem Wagen versteckt hatte, bis ihre Fingerspitzen endlich gegen das Holz stießen. Inzwischen konnte sie im Zwielicht Fadistas unbewegte Silhouette erkennen, die sich wie ein Scherenschnitt gegen das Tor abzeichnete. Er verharrte mit hoch gerecktem Hals wie eingefroren.
Sie drückte sich eng an der Schuppenwand entlang und schob den Stock wie einen Riegel zwischen den halbrunden Griffen der Torflügel hindurch. Vor der Wand stand ein Karton, von dem sie nun ein Stück Pappe abriss.
Das Geräusch beunruhigte Fadista. Ein warnendes Blasen, und er begann erregt, auf der Stelle zu piaffieren. Alles Zureden half nicht. Die Hufe trommelten auf den harten Lehmboden und das Stakkato wurde schneller und schneller, als würde er von einem unsichtbaren Reiter zu immer größerem Eifer angespornt. Längst hatte sie die Longe los gelassen, er konnte nicht fort. Er saß in der Falle und spulte in seiner Panik die Lektion ab, die er für die Schau und den Stierkampf gelernt hatte. Der scharfe Geruch von Pferdeschweiß breitete sich im Schuppen aus, und dazu kam nun ein stechender Gasgeruch. Kati hatte damit begonnen, den Inhalt des Kanisters im Wagen, über dem Wagen und auf dem Gerümpel an den Seiten des Schuppens zu verschütten; begleitet vom wahnsinnigen Hämmern der Pferdehufe. Sie zog das Feuerzeug unter dem Trikot hervor und riss mit beiden Händen das Lederband durch. Im Schein der winzigen Flamme erschien ihr der
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