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Flammenpferd

Flammenpferd

Titel: Flammenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kronenberg
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arrogantem Hochmut begegnete.
     
     
     
     

12
    „Ich könnte Ihnen die Bandnudeln mit Gemüse empfehlen“, sagte er mit dem liebenswürdigen Lächeln, das sie so gut in Erinnerung hatte.
    „Und die Grillspieße?“
    Das warme Lächeln blieb. „Darüber kann ich als Vegetarier keine Aussage machen.“
    Die Märzsonne schien inzwischen recht kräftig, und unter der offenen Winterjacke erkannte sie einen dunklen Pullover, dazu trug er Jeans. Kein schwarzer Anzug wie bei früheren Zusammentreffen.
    „Essen Sie öfter hier?“, fragte sie, um etwas zu sagen.
    „Wenn mich der Hunger überfällt und ich mal wieder nicht zum Einkaufen gekommen bin. Kochen Sie gern?“
    Es schien seine Art zu sein, schnell ins Persönliche zu kommen.
    „Manchmal, aber für einen allein macht es wenig Spaß“, sagte sie leichthin und bereute es sofort. Das musste in seinen Ohren wie der Hilfeschrei eines vereinsamten Singles klingen, und tatsächlich sprang er sofort darauf an.
    „Warum kochen wir nicht einmal gemeinsam?“
    Sie lächelte, und es kam ihr falsch und aufgesetzt vor. „Warum nicht? Irgendwann einmal.“
    Eine Touristengruppe näherte sich dem Eingang des Restaurants. Die Stadtführerin hielt auf Englisch einen Vortag über die Weserrenaissance, und während ein Teil der Urlauber aufmerksam zuhörte, begutachteten die anderen die Speisekarte. Hella trat ein paar Schritte zurück, um den Leuten Platz zu machen, und Julian Mann blieb an ihrer Seite. Er schwieg nachdenklich, doch als Hella, die wenig Lust hatte, das Restaurant mit einer Gruppe Touristen zu teilen, sich verabschieden wollte, kam er ihr zuvor.
    „Darf ich Sie zum Essen einladen? Nichts selbst Gekochtes“, fügte er schnell hinzu. „Sondern hier und jetzt im Rattenfängerhaus.“
    Die Stadtführerin hatte ihren Vortrag beendet und marschierte vorweg in das historische Gasthaus hinein. Ihre Gruppe drängte eilig hinterher.
    „Vielen Dank, aber das wird mir zu laut ...“, erklärte Hella.
    Er ließ sich nicht beirren. „Keine Sorge, die Gruppe geht sicherlich in einen Nebenraum. Kommen Sie!“
    Ohne ihre Antwort abzuwarten, hielt er ihr die Tür auf. Hella fühlte sich überrumpelt und ärgerte sich über sich selbst. Was machte er mit ihr, dass sie sich bevormunden ließ? Die englischen Touristen verschwanden tatsächlich über die Treppe nach oben, und im Gastraum, in dem nur wenige Tische besetzt waren, herrschte eine gepflegte Ruhe. Julian Mann wandte sich nach links. Dort standen die Tische um eine Stufe höher. „Wie wäre es mit dem Tisch am Fenster?“
    Warum gehe ich nicht einfach? , fragte Hella sich und nahm trotzdem Platz. Gegen den Willen neugierig, schaute sie sich um. Das freigelegte Fachwerk aus stämmigen schwarzen Balken zeichnete die Struktur des vierhundert Jahre alten Gebäudes nach. Als junge Studentin hatte sie ein einziges Mal mit Philipp im Rattenfängerhaus gegessen; zum Verdruss seiner Eltern, die schräg gegenüber wohnten und alles mit bekamen. Damals war die Praxis noch im Besitz des alten Doktors gewesen. Den Anlass zu Philipps Einladung wusste sie nicht mehr genau. Vermutlich war es sein, im zweiten Anlauf bestandenes Physikum gewesen. Das naive Triumphgefühl der Bauerntochter jedoch gegenüber dem im gesamten Kreis Hameln-Pyrmont hoch geschätzten Tierarzt Kamphorst, der die junge Liebe nicht zerstören konnte, war auf Anhieb lebendig. Mit Unbehagen wurde ihr klar, wie scharf Julian Mann sie beobachtete. Trotz der bedrückenden Umstände erinnerte sie sich an jeden Satz des Gesprächs in der Küche, unmittelbar nach dem Selbstmord von Thies. Vor seinem Leben als Bestattungsunternehmer war Julian Mann als Ethnologe durch die Welt gereist, was ihm neben erstaunlichen Erkenntnissen über den Totenkult in Madagaskar auch einen Doktortitel eingebracht hatte.
    Er musterte sie aus schmalen dunklen Augen, und um dem Gefühl zu entgehen, sich wie ein Forschungsobjekt zu fühlen, flüchtete sie sich in eine unverbindliche Frage. „Haben Sie inzwischen einen Hund?“
    Er lächelte erfreut, ohne den Blick abzuwenden. „Daran erinnern Sie sich? Den Wunsch habe ich seit langem, doch ich fürchte, mir fehlt die Zeit. Ein Hund braucht eine Aufgabe, denke ich, und mag nicht allein sein. Wie ist das bei einem Pferd?“
    Eine junge Frau brachte die Speisekarte. Hella bestellte ein Mineralwasser und nach einem Blick auf die Tageskarte entschied sie sich für die empfohlenen Bandnudeln. Julian Mann nahm das gleiche Gericht und dazu

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