Flammenpferd
aus und schaute sich um, bis er Hella und Swantje entdeckte. Fragend sah er herüber.
„Sag es mir nachher, Swantje. Jetzt habe ich einen Termin“, erklärte Hella entschieden und ließ sie stehen.
„Aber er wird gleich hier sein!“, rief Swantje und kam aufgeregt hinterher.
Hella beachtete sie nicht weiter. Sie begrüßte den Besucher. „Dr. Johansen? Ich bin Hella Reincke.“
Er streckte die Hand aus. „Wo steht das Pferd?“
„Ich hole Melody nach vorn“, erwiderte Hella und bat ihn zu warten.
Vereint nach Sympathie und Freundschaft standen die Pferde in ihren Ausläufen beieinander. Melody hielt sich dicht neben der Rappstute Holly, die ihr den Schlag verpasst hatte, und beknabberte mit ruppiger Zuneigung deren Mähnenkamm. Offenbar waren die Verhältnisse geklärt.
Als Hella mit Melody am Halfter auf den Hof zurückkehrte, hatte Swantje den Tierarzt in ein Gespräch verwickelt. Wann denn der Hengst ankäme, hörte Hella ihn fragen und fing Swantjes unsicheren Blick auf, die erklärte: „Er müsste in wenigen Minuten hier sein.“
„Welcher Hengst?“, fragte Hella verwundert und wollte den Gedanken nicht wahrhaben, der im selben Augenblick aufblitzte. Nein, das hatte Swantje bestimmt nicht getan! Das konnte sie nicht getan haben!
„Hella, ich will es dir die ganze Zeit erklären ...“
Swantje führte ihren Satz nicht zu Ende. Ein junges Mädchen kam auf den Hof geradelt und trat mit aller Kraft ihrer dünnen Beine in die Pedalen. Yvonne hielt genau auf Hella zu. Sie war als Kind von Nelli angelernt worden und gehörte zu der Sorte Mädchen, auf die kein Pferdebetrieb verzichten konnte. Sie war immer da, wenn Hella Hilfe brauchte. Zum Dank bekam sie Reitstunden auf dem zuverlässigen Jackson, den Jette dafür gern zur Verfügung stellte. Ihre Wangen glühten – vor Anstrengung ebenso wie vor Aufregung.
„Da kommt ein riesiger Pferdetransporter!“, rief sie von weiten und erklärte atemlos, als sie vor Hella vom Rad sprang, der Fahrer hätte sie nach dem Reinckehof gefragt. Jedenfalls hatte sie das so verstanden. Der Mann hätte kaum Deutsch gesprochen. Gleich darauf war das Dröhnen des Lastwagens zu hören, und ein schwerer Transporter brummte durch die Einfahrt und kam mitten auf dem Hof zum Halten.
„Endlich!“, rief Swantje erleichtert. „Er ist da!“
„Nein!“, fuhr Hella sie an. „Sag mir, dass es nicht das ist, was ich befürchte!“
„Doch!“, erklärte Swantje unbekümmert und hielt ihrem Blick stand. „Hier kommt die freudige Überraschung, die ich dir angekündigt habe!“
Dass es eine Überraschung war, bezweifelte Hella nicht. Umso mehr das Maß der Freude.
„Fadista ist da!“ rief Swantje und strahlte Hella glückselig an.
Swantje war tatsächlich so naiv, wie Hella befürchtet hatte. Was wollte ein Mädchen wie sie mit einem Hengst wie Fadista? Mit einem stummen Fluch drückte Hella Yvonne den Führstrick mit Melody in die Hand.
Der Transporter erregte Aufsehen. Schnell hatte sich eine kleine Schar verdutzter Pferdebesitzer versammelt. Unter ihnen war Paul Gehrmann, ein besonnener Reiter, der dafür sorgte, dass sich die neugierigen Zuschauer ein Stück vom Transporter fern hielten. Dann bat er Yvonne, die Stute zur Seite zu führen. Maren eilte heran, und Swantje rannte aufgeregt um den Lastwagen herum. Der Fahrer, ein drahtiger Portugiese mit buschigen Augenbrauen, und sein jugendlicher Beifahrer sprangen behände aus dem Führerhaus und machten sich umgehend an der Ladeklappe zu schaffen. Johansen winkelte den linken Arm an und schaute auf die Uhr.
Hella bat ihn um ein paar Minuten Geduld und schnitt Swantje den Weg ab. „Ich verlange eine Erklärung.“
Swantje lächelte breit. „Ich habe Fadista gekauft. Und da ich in den nächsten Wochen in Hameln sein werde, möchte ich ihn gern solange bei dir einstellen. Du hast mir selbst gesagt, dass du Boxen frei hast.“
Hella holte tief Luft, bevor sie antwortete. Sonst hätte sie sich nicht beherrschen können. Mit einer Gelassenheit, die sie selbst verblüffte, wies sie Swantje darauf hin, dass die leeren Boxen für die Reha-Klinik vorgesehen wären.
„Ich brauche die Box nur vorübergehend“, erklärte Swantje mit ihrem bravsten Lächeln.
Bei so viel Unverfrorenheit packte Hella nun doch die Wut. „Ich habe keine Lust auf einen Hengst! Schon gar nicht auf einen ungebärdigen Hengst wie Fadista. Womöglich schlägt der mir alles kurz und klein. Du hättest mich fragen müssen!“
Swantje hielt
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