Flammenpferd
mehr wahrgenommen. „Ich wusste nicht wohin und bin auf die Lichter der Stadt zugelaufen. Mir war eiskalt, wegen dem Regen, und als ein Wagen hielt und der Typ seinen Kopf raus streckte, dachte ich .... Aber der Widerling wollte mir nicht helfen, der wollte was ganz anderes.“ Sie legte eine Pause ein und biss in die Brotscheibe. Noch kauend erzählte sie weiter. „Der Kerl sprang raus und wollte mich ins Auto zerren.“
Hella war erschrocken. „Hast du die Nummer erkannt? Weißt du den Wagentyp?“
Kati drückte emsig ein paar Tränen heraus. Das konnte sie gut. „Ein Volvo, glaube ich. Schwarz, oder so. Die Nummer konnte ich nicht lesen, war zu dunkel. Außerdem hatte ich solche Angst. Ich bin einfach los gerannt.“
„Du musst den Kerl anzeigen!“
Kati nickte schluchzend. „Klar sollte ich das! Aber was kann ich der Polizei schon erzählen? Wenn du nichts gesehen hast, schicken sie dich wieder weg, und nichts ist. Meiner besten Freundin ist das so gegangen. Der haben sie nachher noch Vorhaltungen gemacht.“
Sie öffnete den Rucksack und kramte nach den Papiertaschentüchern, von denen sie immer einen Vorrat dabei hatte, weil ihr ständig die Nase lief. Wie nebensächlich räumte sie den Ausweis von Jana heraus und legte ihn offen auf den Tisch. Sie waren sich so ähnlich gewesen! Ihr seht aus wie Schwestern, hatten die Betreuerinnen in der Geschlossenen immer gesagt und ganz verwundert getan. Jana wäre inzwischen zwanzig. Hella sollte nicht befürchten, womöglich eine Minderjährige in ihre Obhut zu nehmen.
Wie zu erwarten, warf sie sofort einen verstohlenen Blick darauf. „Ich habe dich für jünger gehalten. Entschuldigung, eigentlich müsste ich Sie sagen.“
Kati zeigte sich großzügig. „Schon in Ordnung. Das geht mir immer so. Vor allem, wenn ich in die Disko will.“
Hella stand auf. „Du musst völlig durchgefroren sein. Ich hole dir etwas Trockenes zum Anziehen.“
Sie verließ die Küche, und Kati lauschte den leichten Schritten auf den knarrenden Treppenstufen. Während sie wartete, rang sie mit der Entscheidung, ob sie die Schubladen nach Geld durchsuchen oder die Hände an den Ofen halten sollte, und war schließlich für beides zu müde und blieb sitzen. Sie aß das Brot auf und beobachtete den Hund, der vor dem Ofen lag und im Schlaf mit der Pfote über die hellgraue Schnauze strich. Sie hatte sich von einem blinden und tauben Hundeopa zu Tode erschrecken lassen. Eigentlich musste sie ihm dafür dankbar sein.
Hella kehrte zurück, mit einem Arm voller Kleidung. „Die Sachen sind von meiner Schwester Nelli. Sie müssten dir passen.“
„Hat Ihre Schwester nichts dagegen, wenn ich das anziehe?“
„Bestimmt nicht“, versicherte Hella mit einem seltsamen Lächeln. „Nimm dir nur, was du brauchst.“
Kati erhob sich. „Was ist dann? Muss ich gehen?“
Hella hielt ihrem bittenden Blick stand. Sie ist hübsch, dachte Kati. Für ihr Alter. Bestimmt war sie über dreißig. Ob sie einen Freund hatte? Der könnte Schwierigkeiten machen. Würde vielleicht Zweifel säen. Männer wurden schneller misstrauisch und waren weniger gutmütig als Frauen. Auch Hella hatte sie noch nicht ganz für sich eingenommen. Man sah ihr an, dass sie mit sich rang, ob sie das fremde Mädchen aufnehmen oder vor die Tür setzen sollte.
„Ich hatte solche Angst“, flüsterte Kati. „Bitte, schicken Sie mich nicht fort.“
Hella überlegte. „Also gut. Für heute Nacht kannst du hier bleiben. Ich richte dir ein Bett.“
Am Morgen war sie frühzeitig aufgewacht, weil die Haustür zuschlug. Ihre eigenen Sachen waren nass und schmutzig, und sie suchte eine schwarze Jeans und einen warmen Pullover aus den Kleidern der Schwester heraus, die ihr nur ein wenig zu groß waren. Dann stieg sie in ihre feuchten Schuhe und ging auf den Hof hinaus, um nach Fadista zu suchen. Als sie ihn in seiner Box entdeckte, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Hella kam, und Kati bemühte sich um ihr fröhlichstes Lächeln und half ohne viele Worte beim Füttern. Erfreut stellt ihre Gastgeberin fest, dass sie sich mit der Stallarbeit auskannte. Sie durfte Hellas Stute Melody halten, während Hella eine kühlende Salbe auf das Pferdebein strich. In der Nachbarbox wieherte Fadista nach der Stute. Kati ging zu ihm. Es tat weh, ihre Freundschaft verleugnen zu müssen.
Fadista schnaubte. Dann senkte er den Kopf und wandte sich dem Heu zu. Er wirkte ruhiger als in Portugal, und statt des starren Kappzaums trug er ein weiches
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