Flammenpferd
den dunklen, nachlässig aus der Stirn gestrichenen Locken, die Frau, die Bonita geritten hatte und der Billi so zugeneigt war. Sie saß vor einem Computer und ließ den Bildschirm nicht aus den Augen, während die Hände über die Tastatur flogen. Hella Reincke. Die Frau, die ihr Fadista gestohlen hatte. Etwas Lebendiges stieß gegen ihre Wade, und als sie erschrocken herum fuhr, brach der Stuhl unter ihr zusammen. Sie kippte zur Seite und krachte mit der Schläfe gegen die Hauswand. Sie hörte noch, dass sie erschrocken aufschrie. Ein Hund bellte. Verfluchter Köter!
Sie wurde ohnmächtig.
16
Fadista hob den langen gewölbten Schädel und musterte sie aus seinen dunklen Augen bedächtig, ohne ein Zeichen des Erkennens zu geben. Im kühlen Morgenlicht schimmerte sein Fell schwärzlich. Die stolze Mähne war verbrannt. Sonst hatte er keine Spuren davon getragen, war heil heraus gekommen wie sie selbst. Konnte es ein eindeutigeres Zeichen geben, dass sie zusammen gehörten? Das Feuer war ihrer beider Verbündeter, nur war die Zeit noch nicht reif gewesen. Sie lehnte sich über die Boxenwand und streckte lockend den Arm aus, doch der Hengst rührte sich nicht.
Hella betrachtete ihr Tun missbilligend. „Von Fadista halte dich bitte fern, Jana. Leider ist er durch schlechte Hände gegangen und nicht einfach im Umgang.“
„Und nun ist er in Ihren Händen!“ Das war Kati heraus gerutscht, ein gefährlicher Fehler. War sie doch seit der vergangenen Nacht ein anderes Mädchen, die verständige und gutmütige Jana, nicht die aufsässige Kokel-Kati. Hellas verwunderter Blick war die Quittung für diese Entgleisung.
„Wem gehört er?“, fragte Kati schnell.
„Eine Studentin hat ihn auf einem portugiesischen Reiterhof entdeckt. Vor ein paar Tagen wurde er gebracht, und ich habe mich überreden lassen, ihr bei der Arbeit mit Fadista zu helfen.“
Das ist deine schwache Seite, dachte Kati. Du lässt dich bequatschen. Und du fühlst dich sofort verantwortlich, wenn eine arme Seele in Not ist. Ach, sie kannte sie alle, diese Weltverbesserer in den Schulen, in Internaten und Therapiezentren, die sich nicht vorstellen konnten, dass nicht jeder darauf aus war, mit allen Menschen in Harmonie zu leben. Es war ein Kinderspiel gewesen, ihr die Geschichte von der zerbrochenen Liebe aufzutischen.
Zuerst waren Hellas Blicke skeptisch gewesen, als sie sich über sie beugte und den Hund zurück hielt, der sie beschnuppern wollte. Kaum hatte sie Katis durchnässte Kleidung und die Schramme auf der Schläfe entdeckt, war das Verantwortungsgefühl zur Stelle, und keine fünf Minuten später saß Kati in der großen Wohnküche, hielt einen Becher mit dampfendem Tee in der Hand und spann ihre Geschichte, so wie sie ihr in den Kopf kam. Jana war mit ihrem Freund unterwegs nach Süddeutschland und dabei kam es zu diesem hässlichen Streit. Ihr Freund war jähzornig. Gewalttätig. Sie redete sich in Fahrt, und ohne die Blicke von dem Kaminofen und den züngelnden Flammen hinter der Scheibe zu lassen, fügte sie eine anschauliche Schilderung der körperlichen Auseinandersetzung hinzu. Auf dieser Reise hatte er allen Untaten die Krone aufgesetzt und sie mitten in der Nacht ausgesetzt wie eine lästige Katze!
Hella stand an der Anrichte und säbelte eine Brotscheibe ab. „Richtung Süddeutschland wolltet ihr? Dann wart ihr hier in Hameln ziemlich weit ab von der Autobahn.“
Kati nickte und wandte ihren Blick dem Brot zu. Bestimmt war die Ohnmacht vom Hunger gekommen, nicht von dem Sturz gegen die Mauer. „Klar, deswegen haben wir uns gefetzt. Er wollte hier unbedingt einen Freund besuchen, dabei sollten wir morgen früh in München sein.“
„Warum ausgerechnet München?“
Kati plapperte weiter drauflos. „Ein anderer Freund hat uns dort einen Job besorgt. In der Filmbranche. Bavariastudios. Ist schon immer mein Traum.“
„Klar, die Filmbranche“, bemerkte Hella trocken. „Und womit beschäftigst du dich im bürgerlichen Leben, wenn ich fragen darf?“
Sie öffnete den Kühlschrank und nahm eine Platte mit Käse heraus.
Kati grinste. „Mal dies, mal das. Seit ich im letzten Jahr mein Abi gemacht habe, jobbe ich rum. Habe noch nichts Konkretes gefunden.“
Hella bestrich das Brot großzügig mit Butter und legte zwei Scheiben Gouda darauf. „Dein Freund hat dich also einfach am Straßenrand abgesetzt. Und was war dann?“
Kati biss in das Käsebrot, das Hella ihr hinstellte. Sie hatte das Loch im Magen gar nicht
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