Flammenpferd
nicht!“
Hella nahm der Freundin die Vorwürfe nicht übel. „Ich will vielleicht nicht immer die vernünftige Hella sein.“
Jette gab auf. „Du musst wissen, was du tust. Aber warum soll ausgerechnet Swantje von deinem Altruismus profitieren? Demnächst lässt du sie sogar in deinem Haus wohnen!“
Hella war überrascht. „Woher weißt du das?“
„Sie posaunt es überall aus. Als wäre es eine besondere Auszeichnung. Willst du auch in diesem Punkt meine Meinung hören?“
Hella lächelte gutmütig. „Ich werde es kaum verhindern können.“
„Swantje ist dreist und Besitz ergreifend. Wie sie sich an dich ranschmeißt, das ist dermaßen aufdringlich.“
Hella winkte ab. „Sie fühlt sich einsam. Sie kennt niemanden sonst in Hameln, und ihr Freund Jan lebt in Holland. Sie kann das Zimmer meiner Schwester haben. Das gibt mir endlich einen Anlass, Nellis Sachen auszuräumen.“
„Sie wird also gegenüber von Jana einziehen? Diese Jana ist mir ebenso wenig geheuer wie Swantje. Du ziehst diese Mädels an wie eine Laterne die Motten.“
„Bist du auch eine Motte?“, fragte Hella belustigt.
„Wieso sollte ich?“
„Ich nehme an, auch du hast ein bisschen was für mich übrig. Immerhin sind wir Freundinnen.“
Jette schüttelte den Kopf. „Das kann man nicht vergleichen. Wir stehen auf einer Ebene. Aber die Beziehungen von Jana und Swantje zu dir wirken, entschuldige bitte, wenn das hart klingt, aber die Beziehungen wirken irgendwie krank. Ich an deiner Stelle würde mich vorsehen. Vor beiden.“
„Du siehst Gespenster“, sagte Hella mit einem Lächeln.
Jette lächelte nicht. „Kann sein. Vielleicht bin ich einfach urlaubsreif. Am liebsten würde ich mich lieber heute als morgen für eine Woche verabschieden und zu Bernd und Uschi nach Portugal fliegen.“
Hella packte das schlechte Gewissen. „Und du hast deinen Urlaub für mich geopfert.“
Jette widersprach sofort. „Mach dir deswegen keine Gedanken. Die Arbeit im Stall war die reinste Erholung gegen das Chaos im Büro. Noch ein paar Tage, dann wird es ruhiger. Bis später, Jackson wartet auf mich.“
Sie ging, und Hella blickte ihr nachdenklich hinterher. Als sie sich wieder umwandte, hatte Fadista sich in Bewegung gesetzt und ein paar zögernde Schritte in ihre Richtung gemacht. Kein Pferd war gern allein, und so suchte auch er die Nähe eines anderen Lebewesens. Geschmeidig glitt sie durch den Zaun und setzte sich auf den Boden. Die Idee, ihn aus dem Wassereimer zu tränken, war ein guter Einstieg gewesen. Dass er sich dabei am Kopf berühren ließ, zeigte Hella, dass sein Vertrauen zu den Menschen nicht so tief gestört war, wie sie befürchtet hatte. Tatsächlich schritt er nun, den mächtigen Hengsthals wachsam gewölbt, leichtfüßig näher. Aus der Froschperspektive wirkte er riesig. Vertrauen gegen Vertrauen, sprach Hella sich selbst Mut zu. Er blieb bei ihr, als sie sich langsam zu seiner rechten Seite erhob. Jedes Pferd – und Fadista bildete keine Ausnahme – besaß die bemerkenswerte Eigenschaft, dass es seine zwei Körperhälften strikt unterschied. Was es auf der einen Seite wahrnahm und lernte, musste es auf der anderen Seite von neuem wahrnehmen und lernen. Das mochte einem ungeduldigen Ausbilder lästig sein, hatte aber, wie Hella an Fadista feststellen konnte, durchaus seine Vorteile. Auf seiner rechten Seite zeigte er sich verblüffend unbekümmert. Hier erwartete er nichts, weder Böses, noch Gutes, und verhielt sich offen und abwartend. Alle Handgriffe, die mit Satteln und Reiten zusammen hingen, waren bisher von links erfolgt, der Seite, die aus der militärischen Tradition heraus von Reitern genutzt wurde. Auf der linken Seite hatte er seine schlechten Erfahrungen machen müssen. Behutsam streckte sie den Arm aus, bis sie mit den Fingerspitzen seine rechte Schulter berührte. Er ließ es geschehen und blieb bei ihr, als ihre flachen Hände sanft über Hals und Flanken strichen. Den Rücken umging sie vorerst, seit sie bemerkt hatte, dass er in der Sattellage jeder Berührung auswich. Das verstärkte ihren Verdacht, er hätte Rückenschmerzen.
Jettes Bemerkungen kamen ihr in den Sinn. Tatsächlich verhielt Jana sich auffallend unstet, darin musste sie der Freundin zustimmen. Mal war sie das schüchterne Kind, das nach Liebe und Geborgenheit suchte, und gleich darauf benahm sie sich auffahrend und herausfordernd frech. Es war anstrengend mit ihr, so viel stand fest, und Hella hätte nicht einmal sagen können,
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