Flammentod
Licht. Das Licht war rot, weil es hinter einer Jalousie aus rotem Stoff verborgen war.
Ich tippte die Nummer in mein Handy und ließ es klingeln. Nach dem dritten Rufton meldete sich ein Anrufbeantworter mit einer einschmeichelnden Frauenstimme.
»Saphyra ist im Moment nicht da. Vertraue dich meiner kleinen schwarzen Bandmaschine an, oder versuche es später noch mal.«
»Guten Abend«, sagte ich und sah, daß sich hinter dem roten Stoff ein Schatten bewegte. »Ich werde in einer Minute bei Ihnen klingeln. Bitte machen Sie auf, denn ich habe ein paar Fragen an Sie. Ich gebe Ihnen ein Stichwort: Achim Diepeschrath. Ich rate Ihnen, mich reinzulassen, denn ich habe exzellente Verbindungen zu den Ordnungskräften. Ich weiß, daß Sie da sind.«
Ich drückte den Knopf für Auflegen und beobachtete noch ein bißchen das Schattenspiel, das etwas hektisch geworden war. Dann stieg ich aus dem Wagen und suchte die Klingel. Ich brauchte nicht lange zu schauen, denn sie war ebenfalls rot markiert.
»Wer sind Sie?« tönte es aus der Sprechanlage.
»Nur jemand, der ein paar Fragen an Sie hat.«
»Kommen Sie später wieder.« Es knackte.
Ich nahm mein Handy, drückte die Wahlwiederholungstaste und wartete die mit Schlafzimmerstimme dahingenuschelte Ansage ab.
»Ich komme gern wieder, aber dann bringe ich die Staatsanwaltschaft gleich mit. Wenn Ihnen das lieber ist -«
Ich hatte noch nicht ausgesprochen, da summte bereits der Türöffner. Warum nicht gleich so.
Susanne Voisbachs Wohnungstür sah genauso langweilig aus wie die beiden anderen in den unteren Etagen. Als sie jedoch öffnete, änderte sich das Bild. Rotes Licht fiel auf die Fliesen des Treppenhauses und vermischte sich mit dem Grau des Steinfußbodens zu einem schmutzigen Braun -als wäre im Schlachthof ein Eimer umgefallen.
»Kennen wir uns nicht?« sagte ich, als ich Susanne Voisbach sah. Sie trug eng anliegende schwarze Hosen aus Latex und obenrum eine Art Bikinioberteil aus demselben Material. Ihre blonden Haare fielen über ihre Schultern, und sie hatte sich stark geschminkt. An ihrer Schläfe war ein feines Netz aus bläulichen Äderchen zu erkennen, die in der schummrigen Beleuchtung deutlich hervortraten und ziemlich abtörnend wirkten. Ob ich sie darauf aufmerksam machen sollte? Als kleiner Tip?
»Sie sind doch die Nummer drei von dem Hexentrio aus Morganas Kiste, oder wie der Laden hieß. Irre ich mich?«
»Und Sie sind der Typ, der arglose Smarts auf dem Kieker hat«, sagte sie. »Sind Sie ein Bulle oder was?«
»So was Ähnliches. Darf ich reinkommen?«
»Seit wann so höflich?«
»Vorschrift ist Vorschrift«, sagte ich, und sie ging ein Stück zur Seite, damit ich hineinkonnte. Sie war genauso groß wie ich. Ich blickte nach unten und sah, daß ihre Beine in Stiefeln mit mindestens zwanzig Zentimeter hohen Absätzen steckten.
»Ich hab keine Zeit«, erklärte sie.
»Kundschaft, was?« sagte ich und sah mich um. Vor meinen Augen begann es zu flimmern. Die Tapete des Flurs war knallrot. Roter Teppichboden, rote Wände, rote Decke. An der Längswand hing ein riesiger Spiegel, der vom Fußboden bis zur Decke reichte und golden gerahmt war. Durch eine offene Tür erreichten wir Saphyras Geschäftsraum. Ein roter Raum mit einem riesigen Herz, das ein Bett war.
»Was dagegen?« fragte sie und setzte sich auf das Bett. In dem Raum gab es sonst keine Sitzgelegenheit, und so blieb ich stehen. Von dem vielen Rot um mich herum wurde mir leicht schwummrig; ich hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten.
»Kennen Sie Achim Diepeschrath?«
»Nee.«
Ich grinste. »Sie können auf Ihre Diskretion verzichten. Er ist tot.«
»Aha.«
»Ich weiß, daß Sie ihn kannten.«
»Was fragen Sie dann?«
»Wo waren Sie am Sonntagabend?«
»Irgendwo.«
»Wo ist das - irgendwo?«
»Was sind Sie eigentlich für einer?«
»Ich bin jemand, der einen Unschuldigen entlasten will.«
»Oho. Ein Privatdetektiv. Das ist das erste Mal, daß ich so jemanden zu Gesicht bekomme.«
»Ich dagegen habe so jemanden wie Sie schon öfter gesehen.«
Sie langte auf ein kleines Tischchen, das neben dem herzförmigen Bett stand, und nahm sich eine Zigarette.
»Sonntags arbeite ich in einem anderen Job.«
»Wirft der hier nicht genug ab?«
»Ich will mir meine Kunden aussuchen.«
»Okay, und da sagen Sie sich, sonntags nie. Kann man verstehen.«
»Sonntags bin ich Kellnerin.«
»Lassen Sie mich raten - in der Salzmühle.«
»Ich hab am Sonntag bis nachts dort
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