Flammentod
Bräuche ihren Ursprung haben, auch. Das ist sogar wissenschaftlich erwiesen.«
»Soso.«
»Und Morgana gehört zu den wenigen, die die alten Plätze wie den Lüderich noch ehren.«
»Den Lüderich?«
»Das ist ein Berg in der Nähe von Overath. Wenn Sie die Straße von Untereschbach in Richtung Hoffnungsthal fahren, sehen Sie ihn. Vor über zweitausendfünfhundert Jahren war auf dem Lüderich eine keltische Siedlung.«
Ich merkte, daß sie da etwas nachplapperte, was sie wahrscheinlich von Morgana gehört hatte, war aber froh, daß sie sich wieder beruhigt hatte. »Ist da ein großes Kreuz drauf und ein Förderturm?« fragte ich.
»Richtig. Haben Sie das große Gemälde in Morganas Laden gesehen?«
»Sie meinen das Aquarell mit dem schwarzen Kreis?«
»In diesem Gemälde hat Morgana eine Vision von dem Berg festgehalten, wie er einmal aussah.«
»Die Vision war aber kaum zu erkennen.«
»Wissen Sie immer alles, was Sie geträumt haben, am nächsten Morgen noch so genau?«
Ich antwortete nicht.
»Das kommt Ihnen verrückt vor, was?« fuhr Susanne Voisbach fort. »Aber Sie sollten mal einen Blick in die Bergische Geschichte werfen, da können Sie einiges erfahren.«
»Was denn zum Beispiel?«
»Zum Beispiel über die Straße hier. Der Fahner Weg.«
»Was ist damit? War hier vielleicht auch mal eine Kultstätte, mit Menschenopfern oder so was?«
»Sie sollten darüber nicht spotten. Kultstätte stimmt nicht. Menschenopfer schon.«
»Was meinen Sie damit?«
»Der Fahner Weg führt zu einem Gebiet, das Fahner Heide heißt. Früher nannte man diese Gegend Galgenberg. Hier wurden Menschen hingerichtet. Vor allem Frauen, die man als Hexen bezeichnete.«
»Hier in der Nähe?«
Sie nickte. »Heute ist das Gebiet natürlich bebaut. Aber ironischerweise steht genau an der Stelle, an der die sogenannten Hexen umkamen, eine katholische Kirche. Die Herz-Jesu-Kirche.«
»Hm. Sie sagen: sogenannte Hexen. Morganas Laden heißt ›Hexentruhe‹. Sind Sie denn nun Hexen, oder was?«
Sie dachte kurz nach und sagte dann ernsthaft: »Wir sind Hexen. Und die Frauen, die damals, vor ungefähr dreihundert Jahren, ihr Leben lassen mußten, waren auch Hexen. Aber es gibt keinen Grund, Hexen umzubringen. Es war der pure Aberglaube der katholischen Machthaber.«
Ich schwieg eine Weile. Es hätte mich sehr interessiert, noch etwas über Hexen und Hexerei zu sprechen und darüber, wie sich Hexerei mit Prostitution vertrug. Aber das Gespräch war vom Thema abgeglitten. Ich mußte gegenlenken.
»Gehörte Achim Diepeschrath eigentlich auch zu Ihren Kunden?«
»Ja, aber das ist eine Weile her.«
»Seit wann hat er Sie besucht?«
»Das fing so vor ein paar Jahren an.«
»Und Sie sind trotzdem mit seiner Frau in diesem Hexenklub?«
»Wissen Sie - Frauen verstehen sich in diesen Dingen manchmal auf einer höheren Ebene. Sie haben auch ihre Rivalitäten, aber Angelika hat irgendwann eingesehen, daß ihr Mann eigenartige Bedürfnisse hat, die man am besten dadurch kanalisiert, daß man sie professionell befriedigt. Das ist einfach so.«
»Woher kannten Sie ihn?«
»Ich habe früher mal in seiner Firma gearbeitet. Als er anfing, die Leute zu entlassen, war ich eine der ersten, die gehen mußten.«
»Mit wem hat Diepeschrath eigentlich noch Geschäfte gemacht?«
»Weiß ich nicht. Meinen Sie, der hätte mit mir darüber geredet?«
»Kurz vor seinem Tod wollte er ein Grundstück kaufen. Meinen Ermittlungen zufolge dürfte er dafür kaum das Geld besessen haben. Wie würden Sie sich das erklären?«
»Keine Ahnung.«
»Können Sie sich vorstellen, daß er mit seinem Bruder irgend etwas aufgezogen hat? Irgendwas Illegales?«
»Ich kann Ihnen da wirklich nicht helfen.«
Eine helle Klingel ertönte.
»Oh, schon halb zehn«, sagte Susanne und stand auf. »Ich muß Sie rausschmeißen.«
»Ist klar«, sagte ich und sah zu, wie der zerknitterte Typ im Spiegel, der ich war, auf die Beine kam. »Hier ist meine Visitenkarte«, sagte ich noch und hielt ihr das Kärtchen hin. »Wenn Sie mich anrufen wollen, nehmen Sie die Handynummer.«
Ich verabschiedete mich von Susanne Voisbach, die ihr Aussehen ebenfalls noch mal im Spiegel kontrollierte, und verließ die Wohnung. Von unten kamen Schritte herauf.
Als ich auf der unteren Etage ankam, rannte mir ein Mann entgegen, stolperte und konnte sich gerade noch am Geländer festhalten.
»Immer langsam mit den jungen Pferden«, sagte ich. »Die Dame läuft schon nicht weg.«
Ich ging zum
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