Flammentod
Frau Diepeschrath, die Sie gesehen haben?«
»Prüfen Sie es nach. Bitte.«
»Also gut - auf Wiederhören.«
»Moment, was ist mit meinen Wagen?«
»Der steht fix und fertig auf dem Parkplatz der Werkstatt zur Abholung.«
Er gab mir die Adresse. Wenigstens eine Sache, die reibungslos funktionierte.
Diesmal wurde ich »Im Wasserblech« noch unfreundlicher empfangen als gestern. Ich stand auf dem abgeschrägten Brett, klingelte bereits zum vierten Mal, und es tat sich immer noch nichts. Ich überlegte, ob Ruth Becker vielleicht wirklich nicht zu Hause war, und beschloß, mal wieder zur Anrufstrategie zu greifen. Ich mußte allerdings erst die Auskunft anrufen und die Privatnummer der Beckers herausfinden. Dann tippte ich sie in mein Handy und wartete, bis das Signal über irgendwelche Sender durch die Gegend geschickt wurde, um keine zehn Meter von mir entfernt ein Klingeln im Becker-Haus auszulösen. Als es soweit war, konnte ich das Telefon sogar hören. Der Anrufbeantworter meldete sich: »Hier Volker und Ruth Becker. Wir sind nicht zu Hause. Sie können -« In diesem Moment nahm jemand den Hörer ab. Eine müde Frauenstimme meldete sich und sagte: »Hallo.«
»Hallo, Frau Becker? Hier ist Rott. Ich stehe hier unten vor Ihrer Haustür und -«
»Gehen Sie weg.«
»Aber ich muß mit Ihnen reden. Bitte lassen Sie mich rein.«
Ich bemerkte aus den Augenwinkeln, daß auf der Straße jemand vorbeispazierte. Ich drehte den Kopf und sah einen Mann mit einem Dackel an der Leine. Der Hund schnupperte am Gartenzaun, sein Herrchen sah mich grimmig an. Offenbar hatte der Mann noch nie jemanden telefonieren sehen.
»Gehen Sie weg«, rief Ruth Becker wieder. Sie hörte sich an, als stünde sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch.
»Warum haben Sie diese Aussage gemacht? Ich muß das wissen.« Ich konnte förmlich sehen, wie der Mann am Gartenzaun die Ohren spitzte, und dämpfte meine Stimme. »Sagen Sie mir, wie Sie darauf gekommen sind, daß sich in Ihrem Gartenhäuschen der Benzinkanister befand. Das haben Sie doch nicht durch Zufall mitbekommen.«
Ein eigenartiges Geräusch drang aus dem Hörer. Ruth Becker weinte.
»Gehen Sie doch endlich«, schniefte sie, dann knackte es. Sie hatte aufgelegt.
Ich drückte auf das Handy, drehte mich dem Hundeausführer zu und grüßte laut und deutlich: »Guten Tag! Schönes Wetter heute, nicht wahr?«
Der Mann glotzte mich durch dicke Brillengläser an und lüpfte sogar seinen grauen Filzhut. »Tach«, brummelte er und marschierte weiter.
Ich ging um das Haus herum in den Garten, in dem Becker den Rasen gemäht hatte. Er hatte ganze Arbeit geleistet. Das Gras war schön kurz. Ich betrachtete das Häuschen, in dem wohl der Kanister gestanden hatte.
Die Tür hatte einen Riegel, an dem ein Vorhängeschloß hing. Ich sah mich um. Die Rasenfläche war glatt wie ein Teppichboden. Es gab keine Spuren, erst recht keine von Rollstuhlrädern. Während ich noch überlegte, bemerkte ich an einem der Fenster im ersten Stock eine Bewegung. Ein bleiches Gesicht war hinter der Scheibe zu erkennen. Langsam ging ich zum Wagen zurück.
*
»Die Frau hinter dem Fenster war garantiert nicht Angelika«, sagte Jutta. »Guck mal, die schönen Rosen.«
Wir befanden uns auf dem großen Platz in der Innenstadt von Bergisch Gladbach, der seit gestern sein Aussehen völlig verändert hatte. Es war Markttag. Die Menschen drängten sich zwischen Obst- und Gemüseständen. Händler priesen lauthals ihre Waren an. Der Hit des beginnenden Frühlings waren Erdbeeren, die rot und appetitlich in ganzen Batterien blauer Plastikschälchen auf ihre Käufer warteten.
Als wir ein wenig herumgeschlendert waren, kamen wir einem Stand mit Blumen immer näher.
»Zehn Rosen für fünf Mark«, brüllte uns eine Frau entgegen, wobei sie den Preis mit deutlicher Absetzung der Konsonanten aussprach, so daß es wie »Zehn Rosen für fünneff Marrek« klang. Was würde sie rufen, wenn nächstes Jahr endgültig mit Euro bezahlt wurde?
»Zehn Stück bitte«, sagte Jutta und machte ein düsteres Gesicht. »Eigentlich hättest du auch selbst darauf kommen können.«
»Wieso?« fragte ich verwirrt. »Ich habe die Frau eindeutig erkannt. Na gut - die Beleuchtung war ein wenig komisch, aber -«
»Quatsch, das meine ich doch nicht. Ich meine, daß ich mir selbst Rosen kaufen muß. Das ist schließlich eigentlich die Aufgabe eines Kavaliers. Aber Kavalier ist wohl ein Fremdwort für dich.«
»Kavalier ist tatsächlich ein
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