Flammentod
Sie, ich sei noch bewußtlos oder so was.«
Sie sah mich prüfend an und ging zur Tür. Kurz darauf schob sich Jutta herein. Sie hatte einen Strauß Osterglocken in der Hand und machte ein ziemlich betroffenes Gesicht.
»Mensch, Remi, da hast du dir aber wieder mal was geleistet.« Unvermittelt brach sie in Tränen aus. Jutta konnte ziemlich zynisch sein, aber manchmal gingen die Gefühle mit ihr durch.
Ich wandte vorsichtig den Kopf. Es fühlte sich an, als hätte ich eine Sperre im Hals. Ich brachte mich langsam wieder in die Ausgangslage zurück.
Jutta setzte sich aufs Bett. »Was alles hätte passieren können.«
»Sag mir lieber, was wirklich passiert ist«, sagte ich. »Und zwar möglichst, bevor die Polizei dieses Zimmer stürmt.«
Sie sah mich hilflos an. »Ich weiß ja auch nichts. Als du gestern abend nicht nach Hause gekommen bist -«
»Gestern abend? Wie spät ist es denn?« Ich versuchte, auf meine rechte Hand zu sehen, wo sich normalerweise die Uhr befand, doch da war nur der ziepende Verband.
»Halb eins mittags«, sagte Jutta. »Sonntag. Nur zu deiner Orientierung«, fügte sie hinzu. »Also, als du gestern nicht nach Hause gekommen bist, haben Theresa und ich es irgendwann nicht mehr ausgehalten und sind nach Lückerath gefahren. An Diepeschraths Grundstück stand alles voll mit Polizei und Feuerwehr. Das ganze Haus war runtergebrannt. Ich hatte eine Mordsangst, daß du tot sein könntest, und die Polizei wollte nichts sagen. Nur daß du gegen Mitternacht hier eingeliefert worden bist. Schöne Grüße übrigens von den beiden. Sie kommen später.«
»Danke«, sagte ich. »Welche beiden?«
»Theresa und Willi.«
»Was habt ihr denn Willi erzählt? Der denkt doch, wir wären Unternehmensberater. «
»Die Wahrheit.«
»Gut. Es war auch gut, daß ihr nicht mit der Polizei sprechen mußtet. Das muß ich selbst machen.«
»Bist du denn schon in der Lage dazu?« wollte Jutta wissen und strich mir übers Haar.
»Wenn ich es dir erzählen kann, gelingt mir das auch mit den Bullen.«
Ich berichtete stockend, was ich in dem Haus erlebt hatte. Ich mußte immer wieder husten, und es kam mir vor, als seien meine Lungenflügel mit irgendeiner Masse gefüllt, die mir den Atem nahm. Doch nach und nach wurde es besser.
»Sehr rätselhaft«, sagte Jutta. »Vor allem die Geschichte mit den Akten. Schade, daß du nicht mehr herauslesen konntest.«
»Die Sachen, die ich zuerst gesehen habe, waren auf Englisch. Aber mit vielen Fachausdrücken dazwischen.«
»Welches Fach?«
»Es sah aus wie ein medizinischer Artikel. Oder etwas Pharmazeutisches.«
»Vielleicht ein Buch mit Hexenrezepten? Für Zaubertränke? Das würde zu dem passen, was du bis jetzt herausgefunden hast.«
»Das könnte sogar sein. Die Papiere wirkten wie Ausdrucke von Internetseiten oder so was. Und es kam ein paarmal das Wort ›Sex‹ vor.«
»Liebestränke«, sagte Jutta. »Auf einer Internetseite. Vielleicht gab es in dem Haus einen Internetanschluß. Hast du da auch einen Computer oder so was gesehen?«
»Nein«, sagte ich. »Und außerdem gab’s da überhaupt keinen Strom.«
»Es gibt auch Laptops, und die laufen mit Batterie.«
»Internetsurfen ist aber von einer Wohnung aus bequemer.«
Jutta seufzte. »Kannst du dich wirklich nicht an mehr erinnern? Ich meine, was diese Akten betrifft?«
»Im Moment nicht«, sagte ich. »Ich werde es versuchen. Hat die Ärztin eigentlich gesagt, wie lange ich hierbleiben muß?«
»Nein. Wir waren ja froh, daß du überhaupt endlich zu dir gekommen bist. Ich schätze, die werden dich noch eine Weile dabehalten. Und bestimmt so richtig auf den Kopf stellen.«
»Das wird jetzt erst mal die Polizei tun, schätze ich. Oder soll ich vielleicht lieber erst mit Vogt reden?«
Es klopfte an der Tür. Ich seufzte. »Aussage verweigern kann ich immer noch. Laß sie rein.«
Jutta ging zur Tür und öffnete sie. Drei Personen kamen herein - ein Zivilist und zwei uniformierte Beamte. Das Krankenzimmer war jetzt richtig voll.
»Guten Tag«, grüßte der Zivilist. »Herr Rott?«
»Hier«, sagte ich.
»Hätte ich mir auch denken können. Hauptkommissar Sommer, mein Name. Polizei Bergisch Gladbach. Wir hätten ein paar Fragen.« Er blickte Jutta an. »Könnte die Dame vielleicht solange rausgehen?«
»Nicht nötig«, sagte ich. »Fragen Sie.«
Jutta saß auf meinem Bett. Die beiden uniformierten Polizisten standen steif herum und hielten ihre Schirmmützen in der Hand. Sommer sah sich kurz im
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