Flammenzorn
blieb.
Und sie sollte nicht enttäuscht werden. Der Dart passierte einen Streifenwagen des Lake Angelus PD, der am Straßenrand parkte. In dem Wagen saß ein Uniformierter und döste. Auf seiner Brust lag eine Zeitung, die von seinem Atem hochgeweht wurde. Anya fuhr weiter und zählte die Auffahrten, bis sie die zu Drakes Anwesen gefunden hatte.
Dass er die Stadt verlassen hatte, konnte sie ihm kaum vorwerfen. Nach dem, was er erlebt hatte, konnte sie gut verstehen, dass er Abstand von der Gewalt gesucht hatte, dass er das Bedürfnis verspürte, sich an einen sichereren Ort zurückzuziehen. Einen Ort, der beherrschbar war. Aber es kam ihr sonderbar vor, dass ein Mann, der sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen hatte, doch noch immer im Grenzbereich verweilte. Das Verhalten erinnerte sie an einen Voyeur: aus der Ferne zuschauen, ja, aber niemals teilnehmen.
Das Gelände war geschmackvoll und üppig bepflanzt. Eine Mauer aus Bäumen und Sträuchern verbarg ein eisernes Tor. Jenseits des Tors erkannte sie weiter nichts als große Flächen Blattwerk. Es gab immer noch genug Laub, um ihr den Blick zu versperren. Anya fuhr in die Einfahrt und hielt an der Sprechanlage am Torpfosten. Weiter oben erkannte sie das rote Auge einer Videokamera. Sie kurbelte das Fenster herunter und streckte die Hand nach dem Klingelknopf aus, doch dann zögerte sie. Es war fast drei Uhr morgens. Was konnte sie sagen, was um diese Zeit einen Sinn ergäbe? Mr. Ferrer, ich muss Sie um einen Gefallen bitten, ehe ich Sie für den Rest ihrer natürlichen Lebenszeit einbuchte.
Sie atmete hörbar aus und drückte auf den Knopf. Beinahe dreißig Sekunden zogen dahin, und Anya überlegte bereits, ob sie noch einmal klingeln oder einfach davonfahren sollte, als sie ein leises Surren von der Videokamera hörte. Sie blickte auf und sah ihr eigenes Spiegelbild in der schwarzen Linse, die sich in ihre Richtung gedreht hatte.
Kommentarlos glitt das Eisentor, das an einer automatisch betriebenen Kette hing, zur Seite. Anya steuerte den Dart hindurch, und das Tor schloss sich hinter ihr mit dem typischen metallischen Klappern, das sie von ähnlich gebauten Toren im Bezirksgefängnis kannte. Dann gab es einen Ruck, als sie über eine flach am Boden liegende Nagelkette fuhr.
Hineinzugelangen war einfach gewesen. Wieder rauszukommen mochte sich um einiges schwieriger gestalten.
Ein Kiesweg schlängelte sich vor ihr her und verschwand in dem dichten Gehölz auf dem Gelände. Anya folgte ihm langsam, hörte, wie der Kies von den Rädern gegen die Karosserie geschleudert wurde. Bei Tag musste es hier wundervoll sein, überlegte sie, doch in der stillen Farblosigkeit der Nacht konnte sie nur die Konturen der Bäume gegen den Himmel erkennen.
Nach einer Viertelmeile wurde der Weg breiter und mündete in einer kreisförmigen Auffahrt vor einem Cottage im englischen Stil - obwohl »Cottage« angesichts der Größe des Bauwerks eher unpassend erschien. Die Fassade bestand aus grauen Steinen, unterbrochen von dunklen Fenstern, in deren ungleichmäßigen Butzenscheiben sich das Mondlicht spiegelte. Ein Schieferdach krönte das zweistöckige Gebäude. Drinnen brannte nicht ein einziges Licht.
Anya schaltete die Zündung aus und lauschte dem Knacken des abkühlenden Motors. Schließlich nahm sie all ihren Mut zusammen und öffnete die Tür. Kaum war sie hinaus auf den Kies getreten, da schossen auch schon zwei dunkle Schemen knurrend auf sie zu.
Hunde. Sie stürzte zurück in den Dart und schlug die Tür zu. Die Hunde warfen sich gegen das Metall, und ihre Krallen kratzten am Lack des Wagens.
Sie spürte, wie sich Sparky von ihrem Hals löste und sich gegen das Glas presste. Seine Zehen waren gespreizt, das Maul weit geöffnet, um die spitzen Backenzähne zu präsentieren. Sein zischender Atem kondensierte auf der Scheibe, und seine Zunge fegte mit jedem Fauchen den Dunst wieder weg.
Die Hunde konnten ihn offenbar sehen. Sie wichen jaulend zurück und bellten dann von Weitem die Kreatur an, die sie hinter der Scheibe anfletschte.
»Kerberos, Orthos, Platz, Jungs!«
Gehorsam setzten sich die Hunde zu Boden, und ihre Schwänze peitschten über den Kies. Beide waren grau-schwarz gefleckt und hatten Ohren wie Füchse. Anya nahm an, dass es Promenadenmischungen waren. Wahrscheinlich hätte sie sie sogar süß gefunden, hätten sie nicht Augenblicke zuvor noch versucht, ihr das Gesicht vom Schädel zu reißen.
Drake Ferrer hatte sich vor ihrem Wagen
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