Flammenzorn
»Der Exorzismus mag fehlgeschlagen sein, aber wir konnten ein paar wichtige Informationen über deinen Parasiten sammeln.«
»Parasit? Das nenne ich eine passende Bezeichnung.«
»Die Namen, die er genannt hat, machen mir Sorgen.« Ciros Brauen waren vor angestrengter Konzentration dicht zusammengerückt. »Einer lautete Lilitu. Das ist eine sumerische Form von ›Lilith‹.«
»War das nicht Adams erste Frau?« Anyas Kenntnis der apokryphischen Schriften war arg begrenzt. Die katholische Kirche hatte für die zusätzlichen Bücher zum Alten und Neuen Testament nicht viel übrig gehabt.
»Das kommt darauf an, welcher Mythologie man folgt. Den Sumerern zufolge waren die Lilitu - es gab mehr als nur eine - wunderschöne, succubenartige Kreaturen, die sich von den erotischen Träumen der Männer ernährten.«
»Scharf«, bemerkte Max.
Jules versetzte ihm einen Schlag an den Hinterkopf. »Das ist nicht scharf.«
Ciro fuhr fort, ohne auf das Gezänk zu achten. »Die Babylonier mythologisierten sie als Hure der Göttin Ischtar. Andere Traditionen bringen sie mit der Schlange im Garten Eden in Verbindung, mit Sturmgöttinnen und mit der Mutter von Adams dämonischen Kindern. In der Kabbala wird Lilith den Qlīpōt zugeordnet, einem Hort der Unreinheit, der sich mit den Verlockungen der Verführungskünste befasst.«
Anya saß beinahe wie erstarrt da und dachte über den Traum mit dem Priester nach. »Das passt zu einer ihrer Erinnerungen, die ich in einem Traum gesehen habe: Sie hat einen Priester in den Selbstmord getrieben, indem sie ihn einer Frau hörig gemacht hat.«
Ciro runzelte die Stirn und kratzte sich am Bart. »Sie besitzt sehr große Macht. Und sie ist sehr alt. Es wäre durchaus möglich, dass all unsere Kraft nicht ausreicht, sie auszutreiben.«
»Was tun wir dann?«, fragte Jules. »Wir können das Ding nicht einfach in ihr lassen.«
Ciro nickte. »Das werden wir nicht. Ich muss weitere Nachforschungen anstellen, um herauszufinden, ob es eine besondere Schwäche gibt, die wir uns zunutze machen können. Ich habe ein paar Freunde, die ich um Rat fragen kann - einen Rabbi hier in Detroit, eine Voodoopriesterin in New Orleans. Zu dritt sollten wir gemeinsam eine Lösung finden können. Inzwischen müssen wir einige praktische Vorkehrungen treffen.«
Anya beugte sich vor, den Salamander auf dem Schoß. »Was für Vorkehrungen?«
»Nur keine Sorge, wir werden eine Möglichkeit finden sie auszutreiben. Aber es könnte eine Weile dauern. In der Zwischenzeit solltest du nicht allein bleiben. Und ... du solltest ernsthaft darüber nachdenken, zu deinem eigenen Schutz einige rechtsgültige Dokumente niederzulegen, nur für den Fall, dass du es schaffst, dich unserer Aufsicht zu entziehen.«
»So was wie eine Entscheidungsvollmacht für den Fall, dass ich in einem Irrenhaus ende?« Anya hatte es halb scherzhaft dahingesagt, doch ihr blieben beinahe die Worte im Hals stecken, als Ciro nickte.
»Ich habe erlebt, was mit Menschen in psychiatrischen Anstalten passieren kann, wenn niemand da ist, der Entscheidungen für sie trifft. Ich möchte nicht, dass dir so etwas passiert. Wie sehr ich dich und euch alle auch als meine Familie betrachte, ich habe nicht das Recht darüber zu entscheiden, dass du die spirituelle Heilbehandlung bekommst, die du benötigst.«
Die Knöchel an Anyas Hand, mit der sie Sparky hielt, färbten sich weiß. Wie schrecklich es auch sein mochte, unter dem Bann eines Dämons zu stehen, sie hatte zurzeit immer noch ein gewisses Maß an Kontrolle über ihr eigenes Leben. Sollte sie jedoch in einer psychiatrischen Klinik landen, würde ihr von ihrem eigenen Leben nichts mehr gehören. Gar nichts. Sie wäre dem psychiatrischen Pflegepersonal, das sie dreimal täglich mit Haldol füttern würde, auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Die Aussicht, nicht nur außerstande zu sein, andere zu schützen, sondern auch nicht mehr in der Lage zu sein, auf sich selbst aufzupassen, ängstigte sie mehr als der Gedanke, dass Mimi allmählich alles verschlang, was von ihrer Seele noch übrig war.
»Ich kann nicht in die Zukunft sehen«, sagte Ciro zu ihr. »Und ich hoffe, meine Sorge erweist sich als unbegründet. Aber bitte, kümmere dich darum, solange du es noch kannst.«
Als sie ihre Stimme wiedergefunden hatte, klang sie hohl. »Ich werde gleich morgen früh jemanden anrufen, um die Dokumente anzufertigen.«
KAPITEL SECHZEHN
Es gab eine Person, von der sie wusste, sie wäre imstande, Mimi zu
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