Flammenzorn
der Schlauch mit Wasser, das durch ihn hindurch zum Ursprung der Hitze raste.
Blinzelnd starrte Anya zum Eingang. Etwas brodelte in den Flammen und rollte auf die Tür zu. Die Einsatzkräfte, die fürchteten, sie hätten es mit einem durch eine Gasleitung verursachten Feuerball zu tun, zogen sich hastig zurück.
Aber das war kein Feuerball. Es war ein Mann, ein brennender Mann, dessen Silhouette so rot war wie die Sonne bei einer Sonnenfinsternis. Er glühte geradezu heiter inmitten des Chaos'. Ascheflocken tanzten wie Herbstlaub um ihn herum. Und seine Schritte waren gekennzeichnet von einem unverwechselbaren Hinken.
»Drake«, hauchte sie.
Der Feuerwehrmann am Ende des Schlauches, den Anya hielt, richtete den Wasserstrahl aus bloßem Instinkt auf den brennenden Mann. Das Wasser zischte und verdampfte, noch ehe es seine Haut berührte, wogte nebelartig über ihm auf und umgab ihn mit einer Wolke aus purem Wasserdampf. Die Gestalt aber schritt gemächlich die Stufen des Gefängnisses hinunter, und wo sie hintrat, verschmolzen ihre Füße mit dem Beton und hinterließen feurige Fußspuren auf dem Weg.
Im Heulen der Sirenen hörte Anya Gebrüll:
»Was zum Teufel ist das?«
»Unter Beschuss nehmen.«
»Nein!«, gellte Anya und stürzte voran, aber sie war zu langsam. Sie hörte das scharfe Krachen abgefeuerter Waffen, sah, wie der brennende Mann stolperte ... und dennoch ging er weiter wie ein brennender Götze.
In der Höhe ächzte das Bauwerk. Sowohl Polizisten als auch Feuerwehrleute konzentrierten sich nun vorwiegend auf das Metalldach. Die darunterliegende Dachkonstruktion war den Flammen zum Opfer gefallen, und nun wölbte sich das Dach mit einem metallischen Ächzen nach innen. Ein Leiterwagen, der nahe am Gebäude stand, musste wegfahren, noch während sich ein Feuerwehrmann an der herumschwenkenden, ausgefahrenen Leiter festklammerte.
Aber Anyas Aufmerksamkeit galt weiter dem brennenden Mann. Er ging über die Straße. Die Hitze, die er ausstrahlte, war so enorm, dass die Windschutzscheiben der Fahrzeuge, die er passierte, barsten, und der Lack auf den Motorhauben der Streifenwagen Blasen warf. Zu Fuß folgte sie ihm die Straße hinunter und brüllte: »Drake!«
Er drehte sich um. Möglicherweise erkannte er sie, aber solange er diese unmenschliche Gestalt hatte, wusste sie nicht, was in ihm vorgehen mochte.
»Bleib weg.« Seine Stimme war rau wie Rost. Er streckte die Hand aus und brannte ein Loch in die Seite eines vollbesetzten Schulbusses.
Anya ging hinter einem Müllcontainer in Deckung, als der Tank Feuer fing und der Schulbus in die Luft flog. Die Druckwelle warf den Container um und schleuderte sie unter ein Polizeifahrzeug. Die Explosion ließ auch den Streifenwagen auf seinen Rädern erbeben, und sie roch verbranntes Gummi. Durch eine Mauer aus brennenden Trümmern sah sie mit tränenden Augen und voller Entsetzen zu, wie die leuchtenden Schemen weißer Geister in den Flammen hinter den Fenstern des Busses aufheulten.
Von Schmerzen gepeinigt, krabbelte sie auf den Ellbogen unter dem Wagen hervor, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, den Opfern zu helfen, und der Notwendigkeit, Drake zu erwischen. Sie war die einzige Person, die irgendeine Chance hatte, Drake aufzuhalten, ehe er Chaos über die ganze Stadt bringen konnte. Sie wusste es, aber sie fühlte sich wie ein Versager, als sie sich auf die Füße stemmte, die Straße hinunterrannte und den Schutt nach einer Gestalt absuchte, die heller leuchtete als alles andere.
»Drake!«, brüllte sie in das Chaos hinein.
Aber er war schon fort.
KAPITEL NEUNZEHN
»Drake ist entkommen.«
Anya stapfte in Ciros Bar, den Helm unter den Arm geklemmt. Ihr Mantel war voller Asche, und sie stank nach Benzin.
Die Angehörigen der DAGR kauerten am Tresen und studierten Felicitys Karten.
»Wird die Polizei nach ihm fahnden? Oder hetzen sie ihm einen Kopfgeldjäger auf den Hals wie in dieser Reality-Show, Dog - der Kopfgeldjäger?«, fragte Max. »Das wäre echt cool.«
Jules versetzte ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. »Hast du nicht auch im Fernsehen gesehen, was hier los ist? Es brennt überall in der Stadt. Und heute ist Halloween, die Nacht des Teufels. Die Bullen haben andere Probleme, als nach irgendeinem reichen weißen Knaben Ausschau zu halten. Und alle anderen bleiben zu Hause und schlafen mit der Hand an der Waffe, wenn sie einen Funken Verstand haben.«
»Ihn aufzuspüren wird wohl an uns hängenbleiben«, stellte Brian fest.
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