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Flammenzorn

Flammenzorn

Titel: Flammenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bickle
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neben seiner Frau saß.
    Der Sarg war direkt unter dem flachen Kalksteinaltar aufgestellt worden. Blumen im Überfluss beherrschten das Kirchenschiff - es sah aus, als wäre dem schwarz-weißen Fliesenboden ein Garten entsprungen. Die Blumen reichten bis in den Altarraum und erfüllten sogar die hinteren Reihen, wo Anya saß, mit dem schweren Duft von Rosen, Lilien und Chrysanthemen. Aus der Entfernung konnte sie die Verwandten, die vorne rechts saßen, und das große Foto von Neuman, das auf einer Staffelei stand, kaum sehen. Von hier aus betrachtet, wirkte er unglaublich jung. Seine Ohren standen ein wenig ab. Den Ausdruck in seinen Augen konnte sie aus dieser Distanz nicht erkennen. Das Foto stammte noch aus seinem Abschlussjahr in der Highschool; irgendwann einmal hatte Anya vor derselben Flagge und derselben blauen Wand posiert.
    Der Erzbischof, ein kleiner Mann in einer blendend weißen Robe mit einer Stola, schien mit dem Kalkstein zu verschmelzen und wirkte so scharf geschnitten wie der Stein selbst. Seine Hände schwebten mottengleich über der goldenen Osterkerze, über Weihwasser, Altartuch, Kreuz und Bibel, die auf Altar und Sarg angeordnet waren, während er sprach: »Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes, des Vaters, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch.«
    »Amen«, antwortete Anya mit dem Rest der Trauergemeinde.
    »Durch das Wasser der Taufe starb Steven Neuman im Namen Christi und erhob sich wieder mit Ihm zum ewigen Leben, so möge er nun mit Ihm die Freude der Auferstehung teilen.« Der Geistliche sprenkelte Weihwasser auf den Sarg, und die Tropfen glitzerten in dem gedämpften Tageslicht.
    Anyas Aufmerksamkeit schweifte ab: Sie wanderte von dem Lichtpunkt, den das kreisrunde Buntfenster auf den Boden warf, zu der versammelten Gemeinde. In dieser Menschenmenge fühlte sie sich unbehaglich. Schweiß kitzelte ihre Haut unter dem kupfernen Halsreif. Sie fühlte sich beobachtet, und sie fragte sich, ob sich zwischen diesen Hunderten von Menschen ein Geist verbarg - ein Geist, der aus irgendeinem Grund diese alten und neuen Gemäuer heimsuchte und wie eine in Bernstein eingeschlossene Fliege das Geschehen über die Jahre hinweg beobachtete. Sie blickte herab auf ihre gefalteten Hände. Wenn das, was sie beobachtete, sie in Ruhe ließ, würde sie es ebenfalls in Ruhe lassen.
    Vielleicht kamen diese Gefühle aber auch durch ihr Unbehagen. Sie hatte seit dem Tod ihrer Mutter keine katholische Kirche mehr betreten. Die Trauermesse damals hatte in einem viel kleineren, schlichteren Rahmen stattgefunden. Der Tod einer anscheinend ganz gewöhnlichen Frau schaffte es eben nicht auf die Titelseiten der Zeitungen; und noch viel weniger brachte er einen Bischof dazu, vor tausend Leuten die Begräbnisliturgie abzuhalten. Es hatte keine Ehrengarde gegeben, keinen Salut mit Gewehren, keine Flagge auf dem einfachen, schwarzen Sarg. Da war nur ein schmuckloses weißes Sargtuch gewesen und ein schlichter Rosenkranz aus Plastikperlen - und hinterher Eiersandwichs im Haus von Tante und Onkel. Nein, der Tod ihrer Mutter hatte keinen Prunk erfordert. Bei dieser Beerdigung waren nur ein Dutzend Leute in einem kleinen Gotteshaus in Hamtramck zusammengekommen: Anya, ihre Tante und ihr Onkel, der Priester und die Gemeindemitglieder, die sehen wollten, was aus der stillen Frau geworden war, deren Haus niedergebrannt war. Ihre Tante hatte ihr wieder und wieder gesagt, sie solle die Beine kreuzen, doch sie konnte nicht: Sparky hatte mit herabhängenden Kiemen zwischen ihren Füßen gehockt. Anya erinnerte sich, dass sie in der ersten Reihe gesessen und den geschlossenen Sarg angestarrt hatte, ohne ein Wort von dem zu verstehen, was der Priester sagte. Sie hatte sich gefragt, ob es nicht vielleicht nur ein Irrtum war, ob ihre Mutter vielleicht gar nicht dort drin lag. Vielleicht war sie aufgestanden und allein hinausgegangen.
    Dann hatte sie gelauscht, hatte angestrengt versucht, die Stimme des Geistes ihrer Mutter zu hören, so wie sie ihr Leben lang die Stimmen der Geister gehört hatte. Sie hatte nicht glauben wollen, dass ihre Mutter sie verlassen würde, ganz egal wie prachtvoll und schön das Leben nach dem Tode sein mochte. Aber keine flüsternde Stimme drang aus dem schwarzen Kasten, und keine kalte Hand streckte sich aus, um ihre Wange zu streicheln. Ihre Mutter war fort, ohne ein Wort, ohne zurückzublicken. Und obwohl Anya später begriff, dass es genauso sein sollte - dass ein Geist

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