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Flandry 2: Höllenzirkus

Flandry 2: Höllenzirkus

Titel: Flandry 2: Höllenzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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nicht würde erfassen können.
    Eine unbestimmte Zeit lang lag er in dem Schlick, der sein überschwemmtes Plateau in dünner Schicht bedeckte. Graduell nahmen die Unruhe und der Hunger zu. Rrinn regte sich. Seine Kiemendeckel zitterten, und die Schließmuskeln dahinter pumpten immer stärker einen immer gierigeren Blutstrom. Als er genügend Kraft gesammelt hatte, packte er die See mit Händen, Schwimmfüßen und Schwanz. Schlagartig setzte er sich in Bewegung.
    Ringsum bewegten sich andere langgestreckte Gestalten. Rrinn bemerkte sie in erster Linie anhand der Turbulenzen und des Geschmacks, den sie ins Wasser abgaben. Hierher drang kein Sonnenlicht. Dennoch sah er sie als verschwommene schwarze Flecke. Die Beleuchtung stammte von den schwach blau leuchtenden Kolonien von Aoao (wie sie genannt wurden, wenn das Volk seine Sprache kannte), die an den Wänden des Käfigs gepflanzt worden waren; es köderte die Geschöpfe, die immer im Wasser lebten, und half Wirrdas, ihren Weg in die Freiheit zu finden.
    Andere Rudel benutzten andere Methoden, sich während des Kleines Todes zu schützen, etwa durch Felsen, die über Risse im Meeresboden gerollt wurden. Zennevirrs hatten sogar einen Schwarm Flossenschlangen abgerichtet, um sie zu bewachen. Wirrdas schliefen in einem Käfig aus Flechtmatten auf einem Holzgerüst, in den nichts Gefährliches vordringen konnte. Ursprünglich war er im Frühjahr errichtet worden, wenn das Volk ins Wasser zurückkehrte, aber noch begrenzt Luft atmen konnte, und wurde seither jährlich repariert. Die Luftatmung verlieh dem Volk die Energie zu tauchen und schwere Arbeit unter Wasser zu verrichten, während es ein, zwei Stunden am Stück über die sich wieder herausbildenden Kiemen atmete. (Selbstverständlich arbeitete nicht jeder daran. Die Mehrheit jagte Nahrung für alle.) Sobald die Lungen ihre Tätigkeit ganz einstellten, wurde das Volk träge – außerdem brannte die Sonne dann so grausam, dass die Luft wie trockenes Feuer schmerzte – und war zufrieden, in kühler Dunkelheit zu schlummern.
    Noch verharrte Rrinns Großhirn zu weiten Teilen im Ruhezustand, um Zellen zu schützen, die andernfalls zu wenig Sauerstoff erhalten hätten. Instinkt, Reflex und Gewohnheit lenkten ihn. Er fand eines der Tore und öffnete es. Ohne es wieder zu schließen, schwamm er hinaus und gesellte sich zu seinen Gefährten. Sie stöberten zwischen den Aoao und nahmen an sich, was sie an unverdautem Fang in den Tentakeln hielten.
    Der Vorrat war bald aufgebraucht, und Wirrdas setzten sich in einer weiten Formation, die aus etwa zweihundert Individuen bestand, in Bewegung. Strömung und Geschmack, vielleicht auch subtilere Hinweise, wiesen ihnen den Weg zum Land. Wäre es helllichter Tag gewesen, wären sie nicht augenblicklich aufgetaucht; die Augen mussten sich erst schrittweise wieder an die blendende Helligkeit gewöhnen. Dichter Schneeregen jedoch machte den Vorstoß gefahrlos. Eine glückliche Fügung, wenn auch recht häufig in dieser Jahreszeit. In seiner Wasserphase erging es dem Volk zwischen den Wellen am besten.
    Sie fanden eine Schule von – nicht ganz Fischen – und arbeiteten bei der Treibjagd zusammen. Immer wieder sprang Rrinn, tauchte, trieb sich mit schlagendem Schwanz und wirbelnden Beinen voran, bis er die Hände um einen schuppigen Körper schloss und ihn an seine Reißzähne führte. Auch nachdem er sich satt gegessen hatte, setzte er die Jagd fort und reichte die Beute gleich welchen Kindern, denen er begegnete. Sie waren im letzten Mittwinter mit Zähnen auf die Welt gekommen und konnten alles Fleisch essen, das ihre Eltern ihnen zerkleinerten; doch es vergingen noch Jahre, bis sie groß genug waren, um sich an der Jagd beteiligen zu können.
    Tatsächlich war niemand im Volk ideal an das Leben im Meer angepasst. Ihre entfernten Ahnen hatten vor langer Zeit die Festlandssockel bewohnt und waren daher gezwungen gewesen, sowohl mit Flut als auch mit Dürre zurechtzukommen. Folglich hatte sich bei ihnen ein duales Atemsystem entwickelt und die Gewohnheit, während des Sommers das Land zu verlassen, um der Hitze zu entkommen. Dennoch waren sie eher zum Gehen als zum Schwimmen gebaut, denn zwei Drittel ihres Lebens verbrachten sie an Land, und folglich eigneten sie sich nur bedingt als Seeraubtiere und ›fanden‹ es am besten, sich in den Sommerschlaf zurückzuziehen.
    Diese Theorie hatte Rrinn ein merseianischer Paläontologe dargelegt. Er würde sich daran erinnern, sobald sein

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