Flandry 2: Höllenzirkus
während er den Knopf drehte. Seine freie Hand ballte sich zusammen, bis die Nägel schmerzhaft ins Fleisch drangen. »Was ist los?«
»Ein Anruf von der Basis für Sie.« Der Xenophysiologe, der eingeteilt war, um den Bus zu bewachen, während der Rest die letzten Domrath beobachtete, klang verwirrt. »Von der Frau Ihrer Spezies. Ich habe ihr erklärt, Sie seien unterwegs und würden später zurückrufen, doch sie hat darauf bestanden, die Angelegenheit sei dringlich.«
»Was …?«
»Sie begreifen nicht? Ich ganz gewiss nicht. Sie lässt Wochen verstreichen, ohne ein Wort an Sie zu richten, und plötzlich ruft sie an, wobei sie sehr gutes Eriau spricht, und es kann nicht warten. Das kommt von Ihrem menschlichen Unsinn über die Gleichberechtigung der Geschlechter. Nicht dass das Geschlecht von Nichtmerseianern uns interessieren würde … Nun, ich habe ihr gesagt, ich wolle versuchen, Sie hinzuzuschalten. Soll ich?«
»Ja, natürlich«, sagte Flandry. »Haben Sie vielen Dank.« Er wusste Cnifs Rücksichtnahme zu würdigen. Sie waren sich auf dieser oft strapaziösen Expedition recht nahe gekommen, während sie einander geholfen hatten – auf dieser oft monotonen Expedition vertrieben sie sich die tagelange Wartezeit auf etwas Bemerkenswertes, indem sie sich gegenseitig Geschichten erzählten. Man konnte es schlechter antreffen, als das Leben mit Freunden wie Cnif und Djana zu verbringen …
Ein Klicken, ein fernes Knistern, dann ihre Stimme, unnatürlich tonlos: »Nicky?«
»Hier, und ich wünschte, ich wäre dort«, meldete er sich um Heiterkeit bemüht; doch das Grollen des Vulkans durchdrang Stein und Luft.
»Lass dir deine Überraschung nicht anmerken«, sagte sie rasch auf Anglisch. »Ich habe furchtbare Neuigkeiten.«
»Ich bin allein«, antwortete er. Und wie allein. Die Nacht nagte an seiner Helmscheibe.
»Nicky, Liebling, ich muss mich von dir verabschieden. Für immer.«
»Wie bitte? Meinst du, du …« Er hörte seine Worte zugleich laut und gedämpft in den Wolken, die ihren leise und wie aus unendlicher Weite.
»Nein, du. Hör zu. Sie könnten mich jeden Moment unterbrechen.«
Noch während sie sprach, fragte er sich, wie ihre Veränderung zustande gekommen sein mochte. Sie hätte fast zusammenhangloses Zeug sprechen müssen, anstatt ihm solch einen messerscharfen Bericht zu liefern. »Du wirst schon gehört haben, dass ein merseianisches Schiff eingetroffen ist. Man wird dich zum Verhör fortbringen. Ehe sie dich töten, wirst du nur noch dahinvegetieren. Deine Gruppe soll sich doch bald auf den Rückweg machen, oder? Flieh vorher. Stirb in Anstand, Nicky. Stirb frei, während du noch du selbst bist.«
Eigenartig, wie distanziert er sich fühlte, und noch seltsamer, dass er es bemerkte. Vielleicht hatte er die Bedeutung ihrer Worte noch nicht ganz verstanden. Flandry hatte gesehen, wie andere tödlich verwundet worden waren und mit weit aufgerissenen Augen auf ihre Verletzungen gestarrt hatten, ohne sofort zu begreifen, dass ihnen ihr Leben davonrann. »Woher weißt du das, Djana? Wie kannst du dir da so sicher sein?«
»Ydwyr … Warte. Da kommt jemand. Ydwyrs Leute sind keine Gefahr, aber wenn jemand vom Schiff neugierig wird … Bleib dran.«
Stille, Nebel und Nacht sickerten über ein Land, dessen Nässe zu gefrieren begonnen hatte. Einige leise Geräusche; und ein matter Lichtschimmer glitt am Höhlentor vorbei. Die Domrath schliefen offenbar ein, und die Merseianer unternahmen eine letzte Inspektion mit abgeblendeten Taschenlampen, bevor sie gingen …
»Alles in Ordnung, Nicky. Ich habe mir gewünscht, dass er vorbeigeht. Ich glaube, sein Vorsatz, in mein Zimmer zu blicken, war nicht sehr stark, wenn er ihn überhaupt hatte, denn er ist weitergegangen.«
»Was redest du da?«, fragte Flandry in seiner Benommenheit.
»Ich bin … Ydwyr hat mit mir gearbeitet. Ich habe gelernt. Ich habe ein … ein Talent entwickelt. Ich kann mir wünschen, dass eine Person oder ein Tier etwas tut, und wenn ich Glück habe, dann passiert es wirklich. Aber egal!« Ihre Steifheit bekam Risse; sie klang nun wieder mehr wie das Mädchen, das er gekannt hatte. »Ydwyr hat dich gerettet, Nicky. Er hat mich gewarnt und mir gesagt, ich soll dich warnen. Ach, beeil dich!«
»Und was wird aus dir?«, fragte Flandry ohne nachzudenken. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als ihre Stimme weiter im Funk zu hören … in der Nacht.
»Um mich kümmert sich Ydwyr. Er ist mir ein … er ist edel. Die
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