Flandry 4: Ehrenwerte Feinde
man Flandry ein dünnes Dossier, ein knausriges Spesenkonto und die Order herauszufinden, was zum Teufel dahinter steckte. Danach vergaßen ihn überarbeitete Menschen und Maschinen. Sie würden sich an ihn erinnern, wenn er sich zurückmeldete oder wenn er auf spektakuläre Weise den Tod fand; andernfalls konnte Altai noch gut ein weiteres Jahrzehnt im Verborgenen vor sich hindämmern.
Was ein bisschen lang wäre, sinnierte Flandry.
Bewusst zwanglos schlenderte er vom Turm zu seiner Kabine. Auf Altai durfte nicht der leiseste Verdacht aufkommen, er habe gesehen, was er gesehen hatte; wenn die Information doch durchsickerte, durfte auf keinen Fall geargwöhnt werden, er könnte vermuten, diese neuen Einrichtungen dienten einem Zweck, der über die Niederwerfung eines lokalen Aufstands hinausging. Der Khan hatte sich wenig Mühe gegeben, die Spuren zu verwischen, vermutlich, weil er mit keiner terranischen Ermittlung rechnete. Mit Sicherheit wäre er nicht so unvorsichtig, dem Ermittler zu gestatten, wesentliche Erkenntnisse mit nach Hause zu nehmen.
In seiner Kabine kleidete sich Flandry mit üblicher Sorgfalt an. Den Berichten zufolge waren die Altaianer ein Volk nach seinem Herzen: Sie liebten Farbe auf ihrer Kleidung, und zwar grell. Flandry wählte ein Hemd aus Shimmerlyn, eine grüne bestickte Weste, eine violette Hose mit goldenen Streifen, die in Halbstiefeln aus geprägtem Leder steckte, eine scharlachrote Schärpe mit gleichfarbigem Umhang und ein schwarzes Barett, das er sich in kühnem Winkel auf die glatten, robbenbraunen Haare setzte. Er war ein großer, muskulöser Mann; sein langes Gesicht hatte hohe Jochbeine, eine gerade Nase, graue Augen und einen sauber gestutzten Oberlippenbart. Aber schließlich war er auch Kunde des besten kosmetischen Bioskulptors auf ganz Terra.
Das Raumschiff landete am Ende des Betonfeldes. Ein anderes beteigeuzisches Schiff ragte gegenüber auf und bestätigte Zalats Behauptungen, was den Handelsverkehr betraf. Nicht gerade flott – vielleicht zwanzig Schiffe pro Standardjahr –, aber konstant und ohne Zweifel mittlerweile für die Wirtschaft des Planeten wichtig.
Als Flandry aus der Ausstiegsschleuse trat, spürte er die befreiende Wirkung einer Schwerkraft, die nur drei Viertel des heimischen Wertes erreichte. Dieses Gefühl verlor sich jedoch rasch, als ihn die Luft traf. Ulan Baligh lag auf elf Grad nördlicher Breite. Bei einer Achsenneigung, die der Terras in etwa entsprach, einer trüben Zwergsonne und ohne Ozeane, die das Klima moderiert hätten, kannte Altai bis fast zum Äquator harte Jahreszeitenwechsel. Auf der nördlichen Hemisphäre brach der Winter ein. Ein Wind, der vom Pol kam, hüllte Flandry in Kälte jaulte ihm um die Ohren und riss ihm das Barett vom Kopf.
Flandry packte es wieder, fluchte und trat mit weniger Würde als geplant vor den Hafenmeister. »Grüße«, sagte er wie instruiert, »möge Friede in Ihrer Jurte wohnen. Diese Person wird Dominic Flandry genannt und durchstreift Terra im Imperium.«
Der Altaianer blinzelte Flandry aus schmalen schwarzen Augen an; ansonsten blieb sein Gesicht maskenhaft. Es war breit und relativ flach, aber nicht vollkommen mongolisch: Eine Hakennase, ein dichter, gestutzter Bart und helle Haut verrieten ebenso wie die Hybridsprache eine europide Beimischung. Der Mann war klein, stämmig und trug eine am Kopf festgebundene breitkrempige Pelzmütze. Seine Lederjacke war mit einem komplizierten Muster lackiert; seine Hose bestand aus dichtem Pelz, und seine Stiefel waren mit Schaffell gefüttert. Eine Sturmpistole alter Bauart steckte in einem Halfter an seiner linken Seite, ein Messer mit breiter Klinge rechts.
»Wir hatten solche Besucher nicht …« Er hielt inne, sammelte sich und machte eine Verbeugung. »Seien Sie willkommen wie alle Gäste, die mit aufrichtigem Wort kommen«, sagte er, wie es das Ritual verlangte. »Diese Person wird Pyotr Gutchluk genannt, ein Eideskrieger des Kha-Khans.« Er wandte sich an Zalat. »Sie und Ihre Crew können direkt weiter zum Yamen. Die Formalitäten erledigen wir später. Einen derart … erlesenen Gast muss ich persönlich zum Palast geleiten.«
Er klatschte in die Hände. Zwei Diener erschienen, Männer seiner Rasse, ähnlich gekleidet und bewaffnet. Ihre Augen glitzerten und verließen den Terraner nur selten; ihre hölzernen Gesichter mussten eine Aufregung verbergen, die sie kaum bezwingen konnten. Flandrys Gepäck wurde auf einen kleinen Elektrolaster uralten
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