Flandry 4: Ehrenwerte Feinde
erwiderte Flandry milde, »dass die Kolonialeren Altais sich so weit von Sol entfernt haben, um der Aufmerksamkeit zu entgehen.«
»Richtig. Richtig. Aber glauben Sie bloß nicht diesem Rattendreck in den Heldenliedern. Unsere Ahnen kamen hierher, weil sie schwach waren, nicht stark. Planeten, auf denen Menschen siedeln konnten, waren so selten, dass jeder von ihnen eine Kostbarkeit darstellte, und in jenen Tagen gab es wenig Gerechtigkeit. Indem sie sich weit von Sol entfernten und eine erbärmliche Eiswüste aussuchten, konnten einige Schiffsladungen Zentralasiaten einem Kampf um ihre Heimat ausweichen. Sie hatten nicht geplant, Viehzüchter zu werden. Sie versuchten es mit Ackerbau, doch der erwies sich als unmöglich. Unter anderem ist es dazu zu kalt und zu trocken. Eine Industriegesellschaft, die ihre Nahrungsmittel synthetisch herstellt, konnten sie auch nicht bilden: zu wenig Schwermetalle, fossile Brennstoffe und spaltbares Material. Dieser Planet hat eine niedrige Dichte, wissen Sie. Mit nichts als schwach erinnerten Traditionen in der Hand sahen sie sich im Laufe der Generationen gezwungen, Schritt für Schritt das Leben von Nomaden anzunehmen. Und diese Lebensweise passte zu Altai; sie gediehen, und ihre Zahl nahm zu. Natürlich haben sich neue Legenden gebildet. Die meisten meiner Untertanen halten Terra noch immer für ein verlorenes Utopia, und unsere Ahnen waren kühne Krieger.« Oleg sah Flandry aus zusammengekniffenen rostfarbenen Augen zwingend an und strich sich den Bart. »Ich habe genug gelesen und genügend nachgedacht und besitze eine recht gute Vorstellung davon, was Ihr Imperium ist und was es vermag. Also … Wieso dieser Besuch in genau diesem Augenblick?«
»Wir sind nicht mehr an Eroberung um seiner selbst willen interessiert, Euer Majestät«, erklärte Flandry. So weit, so wahr. »Und unsere Händler haben diesen Sektor aus mehreren Gründen gemieden. Er liegt weit von den Sternen des Herzlandes entfernt; die Beteigeuzer haben es nicht weit nach Hause und können zu ungleich günstigeren Bedingungen konkurrieren; zudem ist das Risiko, einem umherstreifenden Kriegsschiff unserer merseianischen Feinde zu begegnen, nicht sehr reizvoll für einen Händler. Es hat, kurz gesagt, keinen militärischen oder zivilen Grund gegeben, Altai aufzusuchen.« Er glitt unmerklich in die Unaufrichtigkeit. »Der Kaiser wünscht jedoch nicht, dass irgendein Mitglied der menschlichen Familie abgeschnitten wird. Zuallermindest soll ich Ihnen seine brüderlichen Grüße übermitteln.« (Die Bezeichnung war subversiv: Es hätte ›väterlich‹ heißen sollen. Oleg Khan hätte es jedoch nicht sehr gut aufgenommen, wenn man ihm gönnerhaft begegnet wäre.) »Wenn die Altai sich uns wieder anschließen sollen, zum gegenseitigen Schutz und beiderseitigem Vorteil, könnten viele Möglichkeiten diskutiert werden. Ein imperialer Resident zum Beispiel, der Rat und Hilfe bieten könnte …«
Flandry ließ den Vorschlag verklingen, denn letzten Endes liefen Ratschläge eines Residenten meist auf eine einzige Formel hinaus: »Ich schlage vor, dass ihr es so macht, wie ich sage, und wenn ihr euch sträubt, fordere ich Marineinfanterie an.«
Der altaianische König überraschte ihn, indem er nicht ärgerlich auf seinen Status als souveräner Herrscher verwies. Stattdessen antwortete Oleg Yesukai, freundlich wie ein Tiger: »Wenn unsere internen Querelen Sie bestürzen, so darf ich Ihnen sagen, dass Sie sich nicht zu bekümmern brauchen. Das Nomadentum bringt notgedrungen Tribalismus mit sich, der immer wieder zu Fehden und Stammeskriegen führt. Ich sprach bereits davon, wie die Sippe meines Vaters den Nuru Bator die planetare Führerschaft abrang. Wir wiederum haben es mit rebellischen Gur-Khans zu tun. Wie Sie bei Hofe noch hören werden, bereitet uns ein Bündnis Schwierigkeiten, das sich das Schamanat von Tebtengri nennt. Doch dergleichen ist für Altai nichts Neues. Vielmehr habe ich die Welt fester im Griff als je ein Kha-Khan seit den Tagen des Propheten. Noch ein wenig Zeit, und ich zwinge auch noch die letzte Sippe in den Staub.«
»Mithilfe importierter Waffen?« Flandry zog die Brauen um einen Millimeter hoch. So riskant es war zuzugeben, dass er die Spuren gesehen hatte, so machte er sich vielleicht erst recht verdächtig, wenn er es bestritt. Und tatsächlich wirkte der Kha-Khan völlig unerschüttert. Flandry fuhr fort: »Das Imperium würde mit Freuden technische Berater abstellen.«
»Ohne Zweifel«,
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