Flandry 5: Krieger aus dem Nirgendwo
halbem Auge. Zu schade, dass er solch schlechte Laune hatte; dieser Anblick war eine Erfahrung, die nur wenigen Menschen zuteil wurde. Doch er hatte Stunden auf einer Mission verschwendet, die jeder Kadett im zweiten Jahr bewältigt hätte … während sich bei Syrax die Kampfverbände sammelten und Vixen allein gegen die Hölle stand … oder während Lady Diana mit anderen Männern tanzte und Ivar del Bruno grinsend darauf wartete, die Wettschuld zu kassieren. Flandry sagte ein unangebrachtes Wort. »Was für ein hübsches Bett aus glühenden Kohlen, über das mich Fenross da zerrt«, fügte er hinzu. »Dafür hat der Mann wirklich ein Talent.« Er stürzte das Glas herunter und verlangte das nächste.
»Wir steigen, Sir«, sagte Chives viel später.
Flandry sah Berge, die zitterten und summten, blaue Nebel, die um ihre metallischen Gipfel wirbelten, und dann verschwand der jovianische Boden in der Dunkelheit. Der Himmel nahm die Farbe von Blut an. »Wohin geht es jetzt?«, fragte der Terraner. Er blickte auf eine Karte. »Aha, ich verstehe.«
»Darf ich wagen, dem Piloten anzudeuten, dass unsere Geschwindigkeit vielleicht ein wenig zu hoch ist, Sir?«, fragte Chives.
Flandry hörte, wie der Wind außerhalb der Maschine sich zu einem Schrei mit Untertönen im Infraschall erhob, die er bis ins Mark spürte. Rote Nebelwirbel schossen an seinen Augen vorbei. Dahinter sah er Zinnoberwolken von der Höhe einer terranischen Sierra, in deren Bäuchen die Blitze zuckten. Das Licht von den Bildschirmen fiel wie ein mattes Feuer in die Kabine.
»Ja«, brummte er. »Fliegen Sie langsamer, Horx. In einer Minute kommt wieder so ein Ding, wie es der Zufall will …«
Da sah er, wie der Pilot in seiner Kanzel aufstand, eine Tür öffnete und ausstieg. Einen Augenblick später schlug Horx mit den Flügeln, um dem wilden Luftstrahl des Raumschiffes zu entkommen; dann war der Ymirit außer Sicht. Im nächsten Moment sah Chives, was vor ihnen im Himmel hing, und brüllte auf. Er schlang den Schweif um Flandrys Taille, während er sich mit Händen und Beinen an einem Kojenpfosten festklammerte.
Dann zerbarst die Welt donnernd in Nacht.
V
Flandry erwachte. Er verbrachte Jahrhunderte in dem Wunsch, er hätte es bleiben lassen. Eine verschwommen sichtbare grüne Gestalt sagte: »Ihr Aneurin, Sir.«
»Verschwinde«, murmelte Flandry. »Was habe ich getrunken?«
»Verzeihen Sie mir meine Anmaßung, Sir«, entgegnete Chives. Er drückte des Terraners Handgelenke mithilfe seines Greifschwanzes an den Boden, hielt Flandry mit einer Hand die Nase zu und flößte ihm mit der anderen das Vitaminpräparat ein. »So, nun geht es uns doch schon viel besser, oder?«
»Erinnere mich daran, dass ich dich erschieße, aber langsam.« Flandry würgte eine Weile. Schließlich entfaltete das Vitamin B 1 seine Wirkung, und er setzte sich auf. Sein Kopf klärte sich, und er blickte auf die Bildschirmreihe.
Nur ein Schirm funktionierte noch und zeigte dichte, treibende Röte, von Blau und Schwarz durchzogen. Ein konstantes raues Grollen wie vom Aufbrechen einer polaren Eisdecke drang durch die unübertroffene Festigkeit der Kraftfeldblase – Gott, wie musste sich der Lärm da draußen anhören? Die Kabine lag schräg. Plötzlich begann Flandry aus der niedrigeren Ecke über den Boden zu rutschen; das Schiff rollte herum. Das interne Schwerefeld hatte ihnen das Leben gerettet, indem es die heftigsten Stöße gedämpft hatte, doch danach war es ausgefallen. Flandry spürte die natürliche Anziehungskraft Jupiters, und jede einzelne Zelle war müde vom eigenen Gewicht.
Flandry konzentrierte sich auf einen verzogenen Kojenrahmen. »Habe ich das mit meinem kleinen Kopf ganz allein geschafft?«
»Wir sind mit großer Gewalt aufgeprallt, Sir«, antwortete Chives. »Ich habe mir erlaubt, Ihnen das Haupt zu verbinden. Eine Injektion mit Wuchshormon wird die aufgeplatzten Stellen binnen weniger Stunden heilen, Sir, sobald wir dem gegenwärtigen Dilemma entkommen sind.«
Flandry richtete sich wankend auf. Seine Knochen schienen ihn wieder nach unten zu zerren. Die Wände der Kabine bebten und ächzten. Die Kraftfeldblase hatte gehalten, was bedeutete, dass ihr Generator und der Hauptreaktor den Absturz überstanden hatten. Das kam nicht unerwartet; ein Schiff wie dieses war nach dem Prinzip des gefahrlosen Ausfalls konstruiert. Doch aus der Kabine gab es keinen Zugang zur Pilotenkanzel – es sei denn, man war ein Ymirit. Es bedeutete keinen
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