Flandry 7: Am Ende des Weges
zufälligerweise nützlich für Terra – und für mich sicher auch, denn unsere Vorrangstellung ist der Unterwerfung, der Barbarei oder dem Tod in jedem Fall vorzuziehen. Aber was den Vorwurf angeht, die imperiale Farce ernst zu nehmen …«
Er hielt inne, als er ihre entsetzte Wut sah. »Haben Sie da gesagt, mein Vater war ein Narr?«, fragte sie abgehackt.
Bin ich betrunken?, durchfuhr es ihn. Ein bisschen vielleicht, bei all dem Alkohol, der über die Müdigkeit gelaufen ist, und ja, die Einsamkeit. Ich sollte wohl ein bisschen vorsichtiger sein.
»Es tut mir leid, Banner«, entschuldigte er sich. »Ich war gedankenlos. Nein, Ihr Vater hatte zu seiner Zeit recht. Damals war das Imperium noch etwas wert, alles in allem gesehen. Danach … nun, von seinem Standpunkt aus blieb es ohne Zweifel dabei. Wenn er enttäuscht war, so hat er sich verpflichtet gefühlt, den Mund zu halten. Er war solch ein Mann. Ich stellte mir gern vor, dass er mit der Hoffnung einer Renaissance gelebt hat und gestorben ist – von der ich wünschte, ich könnte sie teilen.«
Ihr Ausdruck wurde weicher. »Sie teilen die Hoffnung nicht? Aber wieso? Das Imperium hält die Pax aufrecht, sorgt für freien Handel, wehrt den äußeren Feind ab, schützt das Erbe … damit haben Sie Ihr ganzes Leben verbracht!«
Jawohl, sie bleibt die Tochter ihres Vaters, erkannte er. Das erklärt vieles an ihr.
»Verzeihen Sie«, sagte er. »Ich war unleidlich.«
»Nein, das stimmt nicht«, erklärte sie. »Ich bin vielleicht keine gute Menschenkennerin, aber was Sie sagten, das meinten Sie ernst. Unverkennbar. Bitte erzählen Sie mir mehr.«
Ihr Geist ist versessen, die Wahrheit zu suchen.
»Ach, das ist eine lange Geschichte und eine noch längere These«, sagte er. »Das Imperium hatte einmal seinen Wert. In gewissem Maß besitzt es ihn noch immer. Dennoch, was war es denn je mehr als das schnellste und gröbste Heilmittel gegen das Chaos? Und was führte anderes zu dem Chaos, zur Schweren Zeit, als der Selbstmord einer früheren Ordnung, die nicht den Willen aufbrachte, die Freiheit am Leben zu erhalten? Also kam, wie schon zuvor, wieder ein Cäsar.
Doch ein umfassender Staat ist für eine Zivilisation nie ein Neuanfang, sondern der Beginn des Sterbens, und er muss im Laufe der Geschichte immer und immer wieder dem gleichen Kurs folgen, wie eine Art langsam verlaufender, aber tödlicher Krankheit.«
Er trank, er rauchte, er spürte das leichte Brennen bei beidem. »Ich hätte Ihnen heute Abend lieber keinen Vortrag gehalten«, sagte er. »Ich habe Hunderte von Stunden, in denen ich sonst nichts zu tun hatte, mit Lesen und Nachdenken verbracht; ich habe mit Historikern, Psychodynamikern und Philosophen gesprochen; jawohl, nichtmenschliche Beobachter unserer Lage hatten stichhaltige Anmerkungen zu machen … Aber es läuft einfach darauf hinaus, dass Sie und ich zufällig in einem kritischen Stadium des Niedergangs unseres Imperiums leben, dem Interregnum zwischen seiner Prinzipats- und seiner Dominatsphase.«
»Jetzt werden Sie allerdings abstrakt«, sagte Banner.
Flandry lächelte. »Lassen wir das Thema fallen und gucken zu, wie es zermatscht. Chives macht sauber.«
Sie schüttelte den Kopf. Leichte Schatten wanderten über die Rundungen um Jochbeine und Kieferlinie. »Nein, bitte, nicht so. Dominic … Admiral, ich bin nicht völlig unwissend. Ich kenne Korruption und Machtmissbrauch, ganz zu schweigen von Bürgerkrieg und unverhohlener Dummheit. Mein Vater pflegte ganz wunderbar zu fluchen, wenn eine ganz besonders übelkeiterregende Neuigkeit eintraf. Aber er hat mir immer gesagt, ich dürfe von sterblichen Wesen keine Perfektion erwarten; unsere Pflicht bestehe darin, stets nach ihr zu streben.«
Er reagierte nicht darauf, dass sie seinen Vornamen benutzt hatte, sein Herz schon. »Ich denke, das ist eine ewige Wahrheit, aber es ist nicht ewig möglich«, erwiderte Flandry ernst. »Als junger Bursche fand ich mich in einer Lage, in der ich den abscheulichen Josip gegen McCormac unterstützte – erinnern Sie sich an McCormacs Rebellion? Er war ein unendlich besserer Mann. Das wäre jeder gewesen. Aber Josip war der legitime Kaiser, und Legitimität ist das A und O der Herrschaft. Wie sonst soll sie trotz der Grausamkeiten, Erpressungen und schrecklichen Fehler, die sie unweigerlich begehen muss – wie soll sie, mit welchem Recht kann sie Loyalität fordern? Wenn sie nicht Dienerin des Gesetzes ist, dann ist sie nichts weiter als eine
Weitere Kostenlose Bücher