Flandry 7: Am Ende des Weges
des Vulkans und sein Haushalt lebten nicht von der Viehzucht, sondern von der Jagd: Denn das Land um den Fuß des Berges war unermesslich wildreich, oder war es zumindest gewesen. Wie überall hatten sich jedoch auch hier sesshafte Handwerker angesiedelt. Aus einer der halb aus Holz gebauten Hütten, die sich in der Nähe scharten, hörte Yewwl das Klirren von Eisen, das geschmiedet wurde; aus einer anderen drang das Surren eines Spinnrads, und aus einer dritten quoll der beißende Gestank einer Ledergerberei. Die Geräusche verstummten, als die Handwerker auf die Besucher aufmerksam wurden und aus den Hütten kamen, um zu sehen, wer eingetroffen war.
Bald verließ auch jemand ein Gebäude, das für sich am anderen Ende des Plateaus stand. Es war Jahrhunderte alt, fast wie die Halle, aber der Stein, aus dem es bestand, war von ungezählten Regenfällen, schneidenden Winden und sauren Dämpfen selbst in dieser dünnen Luft gerundet, und die Steinmetzarbeiten ließen sich nur noch schemenhaft erkennen. Unverändert aber fing ein großer, facettierter Kristall, der über dem Eingang in das Mauerwerk gesetzt worden war, das Licht. Er erklärte das Gebäude zu einer Freistatt des Kollegs. Hier bewahrten die Sucher der Weisheit wie auch in anderen Häusern, die sie überall besaßen, Bücher, Instrumente, Zeremoniengewänder und Geheimnisse.
Zuerst kamen jene hervor, Männer und Frauen, die hier lebten, zusammen mit ihren Kindern. Yewwl zählte zehn Erwachsene. Die Hälfte war jung, Neulinge, die studierten, um höhere Grade zu erreichen, und bis dahin als Hausmeister fungierten, als Kopisten arbeiteten und das Alltagsgeschäft des Kollegs erledigten. Die Übrigen alterten; ihnen fehlte das Talent, das man brauchte, um einen höheren Grad zu erreichen, und sie hatten sich hineingefunden. Yewwl hatte mit niemandem von ihnen Streit; um genau zu sein, begegnete sie ihnen nur selten.
Doch dann erblickte sie eine andere Gestalt, einen Mann, der vom Hals bis zu den Füßen mit einer weißen Schürze bekleidet war, unter dem linken Arm eine vergoldete Harfe hielt und auf der Stirn einen Reif aus Bronzeblättern trug. Über einen Kilometer hinweg erkannte Yewwl ihn. Ihre Schwingen entfalteten sich mit einem Knall. Ihre Haare stellten sich auf. Durch ihre Reißzähne drang ein Fauchen.
Skogda strich mit seinem Flügel über ihren. Das Spiel unter der Haut sagte: Ich bin bei dir, Mutter, was auch geschieht. Was erfüllt dich mit Sorge?
»Erannda«, sagte sie und wies mit den Ohren auf den ältesten Sucher. »Wie schade, dass er nicht die Gastfreundschaft eines weit entfernten Gutes genießt.« Sie kämpfte die Anspannung ihrer Muskeln nieder. »Von ihm lasse ich mir nicht Einhalt gebieten. Er wird es versuchen, aber auch er kann die Wahrheit nicht wegsingen.«
Innerlich aber fragte sie sich: Die Wahrheit? Ich wage es ja selbst nicht, die Wahrheit auszusprechen, das Wenige von ihr, das ich begreife. Den wahren Zweck meiner Mission zu erfahren würde alle vollends verwirren. Der Herr würde sich weigern, in einer so eigentümlichen und gefährlichen Angelegenheit zu handeln, ohne vorher eine Vollversammlung der Klansoberhäupter abzuhalten; und meine Gefolgschaft würde zum größten Teil zustimmen, dass er recht habe.
Und nach Gesetz und Sitte hätte er recht. (Das Verblüffendste und Verstörendste am Sternenvolk ist vielleicht die Art, wie sie ihren Willen und ihr Schicksal dem Willen anderer unterwerfen, denen sie womöglich nie begegnet sind. Das ist ihre Art, wenn ich recht verstanden habe, was Banner mir all die Jahre zu erläutern versuchte. Manchmal habe ich gehofft, ich würde ihre Worte nicht richtig begreifen.)
Doch bis eine Vollversammlung einberufen werden kann, wäre es zu spät. Banner sagte, uns bliebe wahrscheinlich weniger als ein Tag, um zu tun, was getan werden muss … was immer es sein mag, das über meinen Teil darin hinausgeht. Sonst wird etwas Falsches geschehen, und das Sternenvolk ist außerstande, das Eis zurückzutreiben.
Ich verstehe es wirklich nicht. Ich kann nur weiter auf meine Eidesschwester vertrauen, die mich um meine Hilfe bat.
Aber, Banner, wirst du mir dann auch helfen? Ich brauche dich, damit du meinen Verstand gegen Eranndas scharfe Zunge schärfst. Banner, sende deine Stimme wieder in meinen Kopf. Bald. Bitte.
Bis dahin würde sie nicht den Mut sinken lassen. »Kommt mit!«, schrie sie, und ihre Körpersprache fügte hinzu: Kommt mit Stil! Sie richtete sich auf, um ihre
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