Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
mit vielen nackten Frauen anfingen, um dann in Psychoterror zu enden.
Im Haus war es absolut still. Kurz dachte Heiko an den alten Mann im Nebenzimmer, und es stellten sich ihm die Haare auf. Nur mal angenommen, er war die Ursache für die unheimliche Stille. Eben noch hatte Heiko sie genossen, jetzt fand er sie bedrückend, richtig gruselig. Die eisige Ruhe schien sich wie ein Leichentuch über ihn legen zu wollen. Wie von einer Nadel gestochen, sprang er aus dem Bett. In der Hoffnung wenigstens das Wetter hätte sich erbarmt, ging er zum Fenster und zog die müden dunkelroten Vorhänge auf. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, sie gestern Abend zugezogen zu haben. Er drückte seine Nase ungläubig und niedergeschlagen am Fenster platt. Der tropische Monsun hatte sich verabschiedet, er war einem nicht weniger deprimierenden, intensiven nordischen Regen gewichen. Von Entspannung oder gar Entwarnung konnte keine Rede sein.
Trotzig, als würde das irgendetwas verändern, wandte er sich vom Fenster ab. Er wollte das unverschämte Wetter, das es ohne Zweifel auf ihn abgesehen hatte, mit Nichtbeachtung strafen. Überhaupt schien sich alles gegen ihn verschworen zu haben. Schon war er bereit, den Morgen aufzugeben. Die Vorzeichen für den restlichen Tag standen schlecht. Dann erst fiel ihm auf, dass er alleine war. Von Sandra keine Spur. Immerhin war sie bis vor kurzem ja noch seine Freundin gewesen. Und offiziell getrennt hatten sie sich auch noch nicht. Aber vermisste er sie? Oder verlangte einfach nur die Macht der Gewohnheit nach dem kompletten Bild? Wie auch immer, ihre Seite des Bettes war unberührt. Noch so ein aufmunterndes Omen für den weiteren Tagesverlauf. Heiko hatte gute Lust, sich einfach wieder hinzulegen, die Augen zu schließen und in ein, zwei Stunden einen neuen Anlauf zu starten. Vielleicht sollte er dem Tag eine zweite Chance geben. Er schnaufte entmutigt aus. Wie wäre es eigentlich, wenn er noch einmal eine Chance bekäme? Wieso war ihm heute eigentlich kein Heiko-Tag vergönnt? Ein Tag, an dem ausnahmsweise mal alles so lief, wie er es sich wünschte. Er hatte die Bettdecke schon wieder in der Hand. An ihm sollte es nicht liegen, er wollte sich seinem Glück nicht in den Weg stellen. Doch er musste pinkeln und er hatte Durst. Aus Erfahrung wusste er, dass dies keine gesunde Kombination war. Dagegen musste er etwas unternehmen, ansonsten wäre der zweite Anlauf zu einem gelungenen Heiko-Tag schon von der Startlinie an zum Scheitern verurteilt gewesen. Er tat also den ersten entscheidenden Schritt zu einem positiveren Lebensgefühl und setzte sich auf die Toilette. Als dies geschafft war, fühlte er sich schon viel besser. Da er sich die Option auf eine weitere Runde Schlaf noch offenhalten wollte, warf er sich nur kurz seinen seidenen Bademantel über, der auf jede Reise mitkam, und machte sich sogleich auf in die Küche, wo er auf ein großes Glas Orangensaft hoffte. Es mochte maximal sechs Uhr sein. Erneut fragte er sich, wo Sandra die Nacht verbracht haben könnte? Alle Optionen kamen ihm so absurd vor, dass er sich vornahm, sich lieber auf seinen Orangensaft zu konzentrieren. Die frischen Vitamine würden ihm die Kraft geben, jedem Hindernis, das sich ihm heute in den Weg stellen wollte, einen gehörigen Tritt in den Hintern zu geben. Hätte er gewusst, was in den nächsten Stunden wirklich auf ihn wartete, so wäre seinem forschen Tatendrang in der Sekunde die Luft ausgegangen. Noch aber stieg seine Laune mit jedem Schritt, den er sich der Küche näherte. Um seine neue mentale Stärke und die archaische Kraft seiner Muskeln zu spüren, spannte er beide Arme an und pumpte seinen Brustkorb auf. Mit breitbeinigem Gang und der Gewinnerpose eines Athleten aus den Dreißigern, es fehlte nur noch ein buschiger, gezwirbelter Bart, betrat er die Küche. Noch in derselben Sekunde fror er genau in dieser etwas eigenwilligen Haltung ein. Er sah Anna, die in ihrem durchsichtigen Nachthemd vor dem Kühlschrank kniete, in der einen Hand die Tür, in der anderen ein Flasche Orangensaft. Weniger erschrocken als amüsiert sah sie ihn an, und er wunderte sich kurz, warum sie ihre Lippen schürzte und fragend die Stirn runzelte. Dann wurde ihm sehr schnell bewusst, dass er immer noch dastand, als würde er zweihundert Kilo Gewichte über seinem Kopf balancieren, und dass gerade wegen dieser sportlichen Pose sein Bademantel offen stand und er leider darauf verzichtet hatte, sich eine Unterhose
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