Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)
flüsterte ihm ins Ohr: »Aber keine Angst, ich werd dich nicht verraten!«
In der Küche ging es bald hoch her. Angelockt vom Duft der kleinen, aber feinen Sauereien, die Carlo am Herd zusammenbrutzelte, saßen Lutz, Anna, Sandra und Heiko fremdelnd locker und jeweils mit Abstand um den Tisch herum.
Elli sah auch die kurzhaarige Uschi Obermayer. Wie hieß sie noch mal? Ja, Tina. Sie stand neben der klapprigen Holztür zur Speisekammer. »Hier wird sich doch wohl ein Vino finden!«, hörte Elli sie murmeln.
Tina verschwand kurz mit dem Kopf in der Kammer, rumorte dort drinnen herum und hielt gleich darauf eine staubige Flasche mit ausgestrecktem Arm vor sich, gerade so, als wäre es die olympische Fackel.
»Tataaaa!«
Von der Spitze des Tisches kam ein unterdrücktes Grummeln. Heiko zeigte sich um einiges wortkarger als noch zuvor. Ganz offensichtlich war er nur widerwillig hier. Aber vorerst war sein Magen stärker als sein Frust.
Um die Szenerie noch ein wenig zu beobachten, nahm Elli nicht Platz, sondern lehnte sich fürs Erste an den Türrahmen, die Arme locker verschränkt.
»Auch ein Glas? Bestimmt, oder?« Ohne lange auf eine Antwort zu warten, drückte ihr Tina ein randvolles Glas in die Hand. Rotwein. Elli wunderte sich, wie schnell die Kleine die Gläser gefunden hatte. Tina agierte beinahe wie im Blindflug, wie jemand, der schon Hunderte Male in fremden Wohnungen nach Alkohol und halbwegs tauglichen Gläsern gesucht hatte. Dieser aufgedrehte Wirbelwind erinnerte sie an ihre eigene Zeit als Studentin. Damals, als der Unterschied zwischen einem Tütenlambrusco und einer Flasche Rothschild Jahrgangswein ziemlich fließend gewesen war.
Elli nahm dankend das bauchige Kristallglas und ertappte sich dabei, wie sie Tina kurz auf den Hintern sah, als diese sich zum Tisch aufmachte. Einer von diesen Honigmelonenhintern, die sich in jedem noch so unvorteilhaften Stück Stoff knackig abzeichneten und noch dazu nie ihre Form verlieren würden. Einfach nur unfair! Wenn Elli ein Mann gewesen wäre, dann hätte sie da jetzt ordentlich reingekniffen. Aber sie war kein Mann.
»Dann lasst uns mal det Beste draus machen, wa, Leute?«, empfahl sich Tina.
»Nun gut, aber ich hoffe, man kann ihn noch trinken!« Reserviert ließ sich Anna ausnahmsweise zu einem Glas überreden. Wenigstens ein Rotwein, dachte sie.
»Kann man dieses Zeug überhaupt trinken?«
Heiko. Überrascht beobachtete Elli ihn. Jetzt spielte er den großen Weinkenner. Gerade so, als wäre er just an jenem Hügel bei Bordeaux groß geworden, den Gott am längsten geküsst hatte, und nicht irgendwo zwischen einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft für Kraut und Rüben und einer LPG für Kartoffeln der Marke Erika.
»Sind wir ein rechter Sommelier, der Herr?«, fragte Carlo, ohne den Gasherd aus den Augen zu verlieren.
»Es tut mir leid, wenn ich einen gewissen Anspruch an Weine habe«, spielte sich Heiko arrogant auf.
»Bitte, dann gibt’s für dich halt nur Wasser!« Tina ging der Schwätzer langsam auf die Nerven. »Schmeckt ja auch gut, oder? Bester Jahrgang, original im Wasserhahn gereift.«
»Heiko hat in seine Wohnung einen gekühlten Weinschrank von Gaggenberg oder so«, sagte Sandra.
»Gaggenau«, verbesserte er sie.
»Weine sind sein neues Hobby. Seit Weihnachten.«
»Sag ich ja, Experte«, amüsierte sich Carlo.
»Ach, ihr wohnt gar nicht zusammen?«, fragte Anna neugierig.
Heiko wiegelte sofort ab. »Also das ist doch jetzt wirklich egal. Ich meine, was hat das denn mit einem guten Rotwein zu tun?«
»Find ick doof, zwei Wohnungen? Da kann man ja gleich …«
»Wir sind fast immer bei mir. Ist doch klar. Wenn es jemand ganz genau wissen will«, unterbrach Heiko Tina.
Mittlerweile hatte jeder ein Glas.
Carlo nahm geschickt eine tiefschwarze, gusseiserne Pfanne vom Herd, drehte sich zu den anderen und erhob sein Glas. »Salute!«
»To life!«, sagte Elli.
»And absent friends!«, kam es von Tina.
Alle hielten ihr Glas in die Luft und tranken, ohne dass auch nur irgendeiner darauf einging, dass sie sich alle den ersten Abend in der Villa Duchessa mit Sicherheit ganz anders vorgestellt hatten.
»Was gibt’s denn überhaupt?«, fragte Lutz.
Hey, der kann ja reden, dachte Anna.
»Ich hab nicht viel gefunden, aber immerhin, für ein ordentliches Risotto müsst es schon reichen.«
»Risotto is mit Reis und so, stimmt’s?«
Alle sahen mehr oder weniger direkt Sandra an. Hatte sie das gerade wirklich gefragt?
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