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Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen furioso: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Friedmann
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Umkleidekabine war so geräumig wie ein Hotelzimmer in einem Fünf-Sterne-Haus und mindestens genauso komfortabel. Alles war mit hellbeigem Stoff ausgekleidet und mit tiefbraunen, glänzenden Edelhölzern verziert. Das ganze Interieur des Geschäftes versprühte einen Hauch der späten Siebziger. Keine grellen Farben, dafür aber mutige, utopische Formen. Damals war Zukunft noch eine Verheißung gewesen, ein Versprechen auf eine bessere Welt.
    Die Geräusche, die Stimmen, alles schien gedämpft. Hektische Bewegungen ließ die Eleganz des Raumes gar nicht erst zu. Schicker ging es nicht, damals nicht wie heute.
    Mittlerweile hatte Elli schon die eine oder andere Sünde für sich ausgewählt, aber sie war noch lange nicht fertig. Sie saß in einem schnörkellosen Sessel und dirigierte mit wenigen Worten ihren Hofstaat. Dann probierte sie eine nicht mehr zu übertreffende Kombination an. Dunkelbraune flache Schuhe aus Wildleder, dazu eine äußerst elegante rostbraune Hose, darüber eine hellbeige Bluse, mit vielen kleinen Hornknöpfen – sie erinnerten Elli an die unschuldigen Augen ihres alten Teddybären Ed – und schließlich eine raffiniert bestickte Cashmereweste, die sie, das wusste sie sofort, nie wieder ablegen wollte. Als sie vor den Spiegel trat, mochte man fast meinen, die bessere Hälfte eines großen Industriellen lud zum Nachmittagstee. Nicht dass sie älter wirkte, als sie war, nein, sie sah aus wie eine Frau, eine atemberaubende Frau, eine Virtuosin der zeitlosen Eleganz. Wie eine Frau, die alles fest im Griff hatte, eine der wenigen, denen das Leben nichts anhaben konnte, weil sie immer ihren Stolz und ihre Würde zu bewahren wussten. Wie eine Frau, die man einfach bewundern musste.
    Die achtzehntausend Euro waren bis auf den letzten Cent aufgebraucht. Kompletter Wahnsinn. Elli spazierte auf einer Straße des Glücks.
    Während der gesamten Heimfahrt hatte Lutz geschwiegen. Kein Wort kam über seine Lippen. Heiko war mehr als froh darüber. Eine weitere Dosis Finanzweltuntergangsverschwörungs-Blabla, und sein Gehirn wäre implodiert wie ein alter Röhrenfernseher, der aus dem zehnten Stock geworfen wurde. Der Typ war eine Gefahr für die Allgemeinheit. Eine Therapie brauchte der. Wenn es dafür nicht schon zu spät war.
    Umso mehr hatten sich die beiden Damen auf der Rückbank zu erzählen. Wie Hanni und Nanni vom Pferdehof gackerten sie, ohne Luft zu holen, wie zwei Schulfreundinnen, die sich die ganzen Ferien über nicht gesehen hatten und sich jetzt alles auf einmal berichten mussten.
    Heikos mehr als gewagtes Designershirt kratzte, und seine viel zu enge Jeans schnürte seinem besten Stück das Blut ab, so dass Heiko schlimmste Konsequenzen befürchtete und deswegen ständig seine Sitzposition änderte. Dafür verwandelte die neue Sonnenbrille ganz Norditalien in eine einzige leuchtend bunt eingefärbte Discolandschaft. Heiko war erledigt.
    Als sie am Ende des Regenbogens, in der Villa, angekommen waren, zauberte erst der Anblick der knapp zwei Millionen wieder ein seliges Grinsen auf sein Gesicht.
    Sie hatten das Geld genau dort wieder versteckt, wo sie es gefunden hatten. Heute Abend würde Heiko austesten, wie die anderen zu dem Gedanken standen, sich mehr als nur ein Prozent abzuzweigen. Warum nicht das ganze Geld untereinander aufteilen? Carlo würde unter Garantie der härteste Brocken sein, dem konnten eine Viertelmillion anscheinend ganz egal sein. Deshalb musste Heiko weiterhin ganz vorsichtig vorgehen. So viel stand für ihn fest: Er, für seinen Teil, wollte sich diesen einmaligen steuerfreien Lottogewinn unter keinen Umständen entgehen lassen. So dämlich musste man erst einmal sein, dass man Hunderttausende Euro buchstäblich vor die Füße gelegt bekommt und sie dann nicht nimmt.
    Die Dämmerung kündigte sich an, doch von Abkühlung keine Spur. Nachdem die vielen überdimensionalen Tüten ins Haus geschafft waren, stellte Heiko zu seiner Überraschung fest, dass Carlo seinen ganzen Anteil für Essen ausgegeben hatte. Der Mann war ein Phänomen.
    »Hallihallo! Was seh ich denn da? Das sieht ja ganz nach der feindlichen Übernahme eines örtlichen Delikatessenimperiums aus?« Heiko versuchte sich einen kurzen Überblick über all die Köstlichkeiten zu verschaffen, die nicht nur den kompletten Tisch einnahmen, sondern sich auch von den Bänken angefangen, über den Boden bis zur Speisekammer auftürmten.
    Ein ganzer Serranoschinken, ein halbes Rad Käse, mehrere riesige Brocken

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