Flashback
Versammlungen dem Profisport den Todesstoß versetzen würde, doch die vom Fernsehen übertragenen, virtuellen 3-D-Spiele erfreuten sich in allen Sportarten noch größerer Beliebtheit als die ursprünglichen Liveversionen. Ein Grund waren sicher die besseren Spieler.
Das neue Team der Colorado Rockies glänzte mit Cracks wie Dante Bichette, Larry Walker, Andrés Galarraga und Vinny Castilla, die alle vor rund vierzig Jahren der Mannschaft angehört hatten. Die einzige Bedingung in dieser Hinsicht war, dass ein virtueller Profi irgendwann in der Vergangenheit für das betreffende Team gespielt hatte (und nur in einer einzigen Mannschaft digital wiedererweckt werden durfte). So kam es, dass die Brooklyn Dodgers mit den zurückgekehrten Stars Sandy Koufax, Don Drysdale, Jackie Robinson, Duke Snider, Pee Wee Reese und Gil Hodges gegen die New York Yankees antraten, die mit Derek Jeter, Mickey Mantle, Roger Maris (in seinem besten Jahr), Lou Gehrig, Dwight Gooden und Babe Ruth aufliefen.
Es gab ein endloses Gezerre um Fairness und Angemessenheit der virtuellen Teams und Spieler in der Major League, aber die Baseballfans liebten die Ära der wiederauferstandenen Helden. Nur die wenigsten sehnten sich nach den steroidgezüchteten Akteuren der skandalumwitterten letzten Jahrzehnte im realen Profibaseball zurück.
Wie sein Alter vor ihm mochte Nick Boxen und schaute sich oft die Freitagnachtsendung an, wo der junge Cassius Clay gegen Rocky Marciano oder Jack Johnson kämpfte …
»Bottom-san, passen Sie auf?« Satos Stimme flüsterte in sein Ohr. »Von rechts kommt ein Mann.«
Nick wirbelte herum.
Aus der Zelt- und Hüttensiedlung näherte sich ein groß gewachsener Schwarzer. Er war dünn, weißhaarig und alt. Er trug eine ausgebeulte, kurze Kakihose, Sandalen und ein makellos weißes Hemd. Sein Gang war bedächtig, fast königlich. Zwei Meter vor Nick blieb er stehen und breitete die Hände aus, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war.
»Willkommen, Sir, in unserer bescheidenen Welt in Coors Field ohne Baseball und Fans, Hotdogs, Popcorn und Coorsbier, aber
dafür mit umso mehr inhaftierten Gesetzesbrechern, zu denen auch ich gehöre.« Der Alte verneigte sich leicht und anmutig. Seine Stimme war volltönend und tief, faszinierend wie bei manchen früheren Shakespeareschauspielern und Sportreportern.
Nick deutete ein Nicken an, doch sein Blick huschte in alle Richtungen. War das eine Falle? Weiter , mahnte ihn sein Verstand. Nicht stehen bleiben, du Idiot.
»Ich heiße Soul Dad«, sagte der Alte. »Darf ich nach Ihrem Namen fragen, Sir?«
Weiter, weiter. Es nützte ihm bestimmt nichts, wenn er sich mit diesem senilen Kriminellen unterhielt.
»Ich heiße Nick Bottom.« Nick hörte seine eigene Stimme wie aus der Ferne. Aber nicht, weil sie über Funk zu ihm übertragen wurde. Etwas an der morgendlichen Unterhaltung mit K. T. Lincoln hatte ihn verwirrt zu einem Zeitpunkt, da er sich keine Verwirrung leisten konnte. Es war, als gehörte das alles hier – die schäbigen Schuppen und die Verbrecher, das Sonnenlicht und das verwahrloste alte Stadion, selbst der verrückte Alte mit der imposanten Stimme – zu einem Flashbackerlebnis, über dem Nick schwebte.
Wenn du weiterschwebst, beißt du ins Gras, du Blödmann.
Soul Dad lachte sonor. »Nun, Mr. Nick Bottom, dann haben Sie aber Ihre Eselsohren zu Hause gelassen.«
Ohne den Abstand zu verringern, trat Nick ein wenig nach rechts, damit ihn der Greis vor der Tribüne vorn deckte für den Fall, dass dort oben jemand mit einer Schusswaffe lauerte.
Als Nick nicht antwortete, fuhr Soul Dad fort. »Denn da fällt mir gleich die Szene aus Shakespeares Sommernachtstraum ein, in der Zettel – Nick Bottom – erwacht. ›… sie soll Zettels Traum heißen, weil sie so seltsam angezettelt ist, und ich will sie gegen das Ende des Stücks vor dem Herzoge singen. Vielleicht, um sie noch anmutiger zu machen, werde ich sie nach ihrem Tode singen.‹ Irgendwie habe ich mir schon immer gedacht, dass er mit dieser ›Sie‹ Julia
aus Romeo und Julia meint. Shakespeare hat die beiden Stücke ungefähr zur gleichen Zeit geschrieben, Mr. Bottom …, vielleicht sogar gleichzeitig, allerdings wäre das für den Barden sehr ungewöhnlich gewesen. Ich glaube, dass in Zettels Bemerkung eine Realität in die andere fließt, so wie es oft auch bei Menschen passiert, die Flashback nehmen. Manche Süchtige können irgendwann gar keinen Unterschied mehr erkennen.«
Nick war sprachlos. Erst
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