Flashback
sich geändert.
Die Möbel waren repariert und wieder aufgestellt worden, die Lampen standen an ihrem Platz und brannten, und alle drei Räume waren sauber. Hier unten war zum Abschluss von Keigos Film für seine Assistenten, die Interviewten und andere an den Dreharbeiten Beteiligten ein großes Buffet aufgebaut worden, aber bis auf die Gläser und Teller, die jeden freien Zentimeter bedeckten, herrschte die relative Ordnung einer Party im Anfangsstadium.
»Das kapier ich nicht«, sagte Nick.
Sato reichte ihm eine elegante, geschlossene Virtual-Reality-Brille.
Noch bevor er sie aktivierte, fiel Nick auf, wie leicht sie war. Die Brillen der Polizei wogen ungefähr ein Pfund, und man bekam innerhalb von zehn Minuten Kopfschmerzen. Nicht bei dieser Brille. Sie war so leicht wie eine normale Sonnenbrille und füllte dennoch sein gesamtes Blickfeld aus. Die Polizeimodelle waren immer eine Insel virtueller Sicht, in die von den Rändern die schwindelerregende Realität eindrang.
Nick berührte das Icon am Brillenbügel und konnte nur mit Mühe einen Schrei unterdrücken. Er machte mehrere Schritte, um seine Wahrnehmung zu überprüfen.
In allen drei Partyräumen und der Küche drängten sich plötzlich mitten im Gehen, im Gespräch, im Kauen, im Lachen, im Flirten und im Inhalieren von Flashback erstarrte Gäste. Echte Gesichter und Körper.
Natürlich hatte er diese Gestalten erwartet – dafür war die Brille ja da –, aber nicht diesen Grad an Realitätstreue. Die amerikanischen Polizei- und Militärbrillen, die er benutzt hatte, erzeugten kaum mehr als Strichmännchen mit comicartigen und schwer erkennbaren Gesichtern, die über den Skelettkörpern schwebten wie Halloweenmasken an einem Stock.
Das hier waren echte Menschen. Die Qualität der digitalen 3-D-Darstellung war vergleichbar mit der aktueller virtueller Filme wie der populären Casablanca -Reihe mit Humphrey Bogart, Claude Rains, Ingrid Bergman und der ewig neunzehnjährigen Lauren Bacall. Von seinen nächtlichen Sitzungen wusste Nick, dass es nach einiger Zeit gar nicht mehr seltsam war, wenn in dieser Serie andere Gäste wie Tom Cruise, Leonardo DiCaprio, Kathleen Turner, Galen Watts, Byron Bezukhov, Sheba Tits oder sogar rein virtuelle Stars wie Natasha Lyubof oder Tadanobu Takeshi auftraten. Sie waren alle gleich real.
So real wie die Leute, die hier das Erdgeschoss bevölkerten.
Er nahm die Brille ab und schritt durch die Räume um die offene
Treppe in der Mitte. Sato folgte ihm. Nur noch er und der Sicherheitschef bewegten sich jetzt durch die Zimmer. Er setzte die Brille wieder auf und spürte den unvermeidlichen Schwindel, als mit einem Schlag über zweihundert Leute auftauchten.
Er trat ganz nahe an den ersten Zeugen heran, den er von den damaligen Befragungen wiedererkannte, den aus Israel stammenden alternden Dichter Danny Oz. Nick konnte die Poren im Gesicht und die geplatzten Äderchen in den Augen und an der Nase des hageren Mannes erkennen. »Das muss Mr. Nakamura ein Vermögen gekostet haben.«
Sato würdigte ihn keiner Antwort.
»Sind alle Stockwerke so virtualisiert?« Nick wanderte durchs Zimmer und starrte die reglosen Männer und Frauen aus nächster Nähe an. Er stoppte, um einer jungen Blondine in den tiefen Ausschnitt zu schauen – vielleicht eine der für die Party engagierten Nutten.
»Natürlich«, erwiderte Sato.
Nick wandte sich dem Sicherheitschef zu. Dieser erschien nicht dreidimensionaler, fester oder realer als die virtuellen Männer, Frauen und Transvestiten in dem überfüllten Raum. Nur breiter und massiger als alle anderen. Sato war auch nicht mehr der einzige Japaner hier. Neben zwei jungen Männern und einer jungen Frau, in denen Nick Mitglieder von Keigo Nakamuras Filmcrew wiedererkannte, waren auch noch drei gut gekleidete Bodyguards anwesend, die Brillen trugen.
Wieso haben die bei einer Party Brillen auf? Nick ließ die Sache fürs Erste auf sich beruhen. Er hatte Kopfschmerzen.
Weil er aus der Übung war und mit derart scharfen virtuellen Brillen sowieso keine Erfahrung hatte, machte er zunächst den Anfängerfehler, den menschlichen Gestalten im Zimmer auszuweichen und sich an ihnen vorbeizuschlängeln. Dann rief er sich kopfschüttelnd zur Ordnung und marschierte einfach durch sie
durch, um an einen bestimmten Punkt zu gelangen. Die real wirkenden, dreidimensionalen Figuren hatten anscheinend nichts dagegen.
In einer Ecke erklärte ein untersetzter, gut aussehender, kahl geschorener früherer
Weitere Kostenlose Bücher