Flashback
Telefons, und alle digital nachgebildeten, dreidimensionalen Menschen um ihn herum erwachten zum Leben. Das plötzlich einsetzende Partydröhnen reichte aus, damit Nick reflexartig die Hände auf die Ohren schlug. Das half natürlich wenig, da die Stöpsel tief in den Ohrmuscheln saßen.
Einen Moment lang stand Nick reglos da und beobachtete die völlig natürlichen Bewegungen der Leute im allgemeinen Lärm. Dann kreuzte er rasch zum Sofa und bückte sich zu einem unnatürlich attraktiven, blonden jungen Mann, der sich seinerseits
vorbeugte, um mit einer unnatürlich hübschen, blonden jungen Frau zu plaudern.
»Ich finde, dass Brandy, Flash und Ficken echt gut zusammenpassen, wenn man alles irgendwie auf einmal macht«, flüsterte der Mann vertraulich, »nur dass man irgendwie nicht mehr ganz diesen Rausch kriegt, wenn man es später auf Flash wiederholt.«
»Die Erfahrung hab ich auch gemacht, ich meine, total.« Die Blondine lehnte sich buchstäblich durch Nick hindurch, um ihrem Gesprächspartner einen besseren Blick auf ihre Brüste zu ermöglichen.
»Scheiße.« Nick richtete sich auf und wanderte von Zimmer zu Zimmer, um über zweihundert Gäste beim Feiern zu beobachten und zu belauschen. Schließlich stoppte er und starrte Sato an. »Damals wurde alles gefilmt. Waren auch oben verborgene Kameras?«
Der Sicherheitschef deutete zur Treppe und Nick ging voraus. Vor einer verschlossenen Tür war ein vierter japanischer Wachmann mit Brille postiert. Nick trat beiseite, während Sato durch den scheinbar festen Mann fasste, um die auch in Wirklichkeit verschlossene Tür mit einem echten Schlüssel aufzusperren.
Die Tür im ersten Stock war ebenfalls verschlossen und schwenkte nach dem Öffnen durch einen fünften jungen Bodyguard. Nick nahm von Zeit zu Zeit die Brille ab, um sicherzugehen, dass wirklich keiner von diesen Posten real war.
Die erste Etage war genau so, wie Nick sie von seinen Besuchen am Tatort in Erinnerung hatte, nur dass sie damals vollkommen leer und verwüstet gewesen war. Jetzt herrschte lediglich leichtes Durcheinander und dafür großer Betrieb.
Vom Korridor in der Mitte gingen acht Schlafzimmer ab. Keine einzige Tür war verschlossen. Nick suchte sich wahllos ein Zimmer aus und trat ein.
Im Bett fläzte sich ein kleiner, dürrer Gauner, in dem Nick sofort Delroy Nigger Brown erkannte, und hatte Sex mit drei weißen
Mädchen. Keine von ihnen, so erinnerte sich Nick aus den damaligen Akten, war älter als fünfzehn. Zwei von ihnen starben in den vier Monaten nach Keigos Ermordung an natürlichen Ursachen – wenn man die Messerattacke eines Zuhälters und eine Überdosis Heroin mit Flash als natürliche Ursachen bezeichnen wollte. Zudem war Nick bekannt, dass der Zuhälter und Dealer Delroy N. noch eine Strafe in Coors Field absaß …, wenn auch aus anderen Gründen. Erneut brandete Übelkeit in ihm hoch, als ihm klar wurde, dass er bei einer Fortführung der Ermittlungen auch mit Delroy N. reden musste, einem der letzten Zeugen, die Keigo lebend gesehen hatten.
Während Keigos Aufenthalt in Denver war der Gauner sein Hauptlieferant für Flashback und andere Drogen gewesen.
Nick überzeugte sich davon, dass alle Schlafzimmer belegt waren und dass viele Männer dort nicht so peinlich wie Delroy N. darauf bedacht waren, keinen Sex im Beisein von Geschlechtsgenossen zu haben. Die kraftstrotzenden Kombinationen in den acht Räumen machten zusammen ungefähr weitere vierzig Partygäste aus, und mit den rund zwanzig Nutten und Gästen im Korridor schien die Gesamtzahl von geladenen und ungeladenen Besuchern, Servierern, Prostituierten und Sicherheitskräften einigermaßen hinzukommen.
Natürlich ohne die beiden Leichen oben.
Nachdem er sich in allen acht Schlafzimmern umgesehen hatte, merkte Nick, dass das lärmende Gewühl nun schon seit über zehn Minuten andauerte.
Zur Erzeugung so einer Illusion war eine unglaubliche Computerleistung nötig. Diese für die Brillen geschaffenen zehn Minuten waren bestimmt genauso teuer wie ein vergleichbarer Zeitabschnitt in einem voll digitalen Hollywoodfilm mit Starbesetzung.
»Wie lang ist die Programmschleife?«
»Eine Stunde, neunundzwanzig Minuten«, antwortete Sato.
»Und sie endet damit, dass die Toten gefunden werden und alle davonrennen?«
»Plus sieben Minuten, nachdem Mr. Nakamuras Leiche und die der Dame entdeckt worden sind.«
Nick riss die Augen auf. »Sie hatten doch dort oben keine Kameras …«
»Nein.«
Eine dumme Frage.
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