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Flashback

Titel: Flashback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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betragen würde. Der tatsächliche Wert, das wusste Leonard, lag inzwischen bei über 5,0 zu 1.
    Die Tabelle endete für das Jahr 2045 mit der Vorhersage einer Zahl von 3,2 bei der günstigsten Wirtschaftsentwicklung und von 18,0 bei der schlechtesten Wachstumsquote.

    Dieses extreme Missverhältnis von Schulden und Bruttoinlandsprodukt war den Vereinigten Staaten erspart geblieben, weil sie schon vor Jahren den Staatsbankrott erklärt hatten.
    »Diese Tabelle haben drei andere Ökonomen und ich vor vier Jahren erarbeitet«, lallte der betrunkene alte Professor. »Nur die gottverdammten Schulden, die das BIP überholen wie in Japan. Der Drache ist da und bereit, uns zu verschlingen. Kapiert?«
    »Nein.« Doch schon damals hatte Leonard etwas gedämmert.
    »Hier.« Der Ökonom rief eine weitere Datei auf.
    Dieses Säulendiagramm veranschaulichte, dass die Sozialleistungen die Gesamteinnahmen des Staates irgendwann zwischen 2030 und 2040 übersteigen würden.
    Das hatte das Diagramm falsch vorhergesagt. In Wirklichkeit blieben die Gesamteinnahmen schon 2022 unter dem Niveau der Sozialleistungen, – in jenem Jahr, als die USA offiziell ihren Bankrott erklärten.
    »Das beruht noch auf den Berechnungen, bevor Obama und die Demokraten ihre Konjunktur- und Sozialgesetze durchgepeitscht haben«, knurrte der alte Professor. »Vielleicht fällt Ihnen auf, dass unsere Zwangsausgaben für Sozialprogramme irgendwann nach 2030 über dem BIP liegen werden. Bis 2050 werden schon die verdammten Zinsen auf die Schulden für Sozialprogramme – die alten, kleineren Sozialprogramme wohlgemerkt – das BIP überholen. «
    »Das ist doch lächerlich«, hatte Leonard geantwortet. »Das kann nicht passieren.«
    »Nein?« Der alte Ökonom blies Leonard Whiskeydunst ins Gesicht.
    »Natürlich nicht. Der Präsident und der Kongress würden es nie so weit kommen lassen.«
    Der alte Kauz hatte Mühe, den Blick auf ihn zu richten. »Ich kenne Sie. Hab von Ihnen gelesen. Sie sind ein Star in der Literaturwissenschaft.
Dann verraten Sie mir mal, Mr. Literaturstar, wo das Land das Geld für diese Programme hernehmen soll.«
    »Die Wirtschaft kommt wieder auf die Beine.«
    »Das wurde schon vor drei Jahren behauptet. Aber jede einzelne Erholung der Wall Street war so schwach wie ein querschnittgelähmter Irakveteran. Und in der Wirtschaft – wo es immer anders läuft als an der Börse – sieht es noch viel düsterer aus. Kleinunternehmen, die durch Steuern und engstirnige Vorschriften in den Ruin getrieben werden. Steigende Arbeitslosigkeit. Verdammt, zum ersten Mal seit den Dreißigern gibt es in diesem Land wieder eine Schicht von Dauerarbeitslosen. Die Inflation kommt mit Macht zurück, und jeder Einzelne wird Tag für Tag ärmer. Die Käufer kaufen nichts, die Banken verleihen nichts. Und China, das noch immer die Mehrheit unserer Schuldtitel hält, geht aus den Fugen. Die dortige Wunderwirtschaft mit acht Prozent Jahreswachstum war eine noch größere Seifenblase als unsere. Die acht Prozent Wachstum wurden von einem Haufen alter Kommunisten per Anordnung im Voraus beschlossen und aus staatlichen Mitteln finanziert. Wie ein Ladenbetreiber, der seine Lagerbestände als Gewinn zählt.«
    Leonard hatte damals nur Bahnhof verstanden. Doch in den Nachrichten verfolgte er die Ereignisse in und um China. Es war furchterregend.
    »Der Präsident hat einen Stab von vielen klugen Leuten.« Leonard hatte genug von dem betrunkenen Spinner und wandte sich ab.
    »Es ist zu spät für kluge Leute.« Der Blick des Alten verschwamm wieder. Als er sein leeres Scotchglas bemerkte, verzog er das Gesicht, als wäre er ausgeraubt worden. »Die klugen Leute sind diejenigen, die dieses Land an die Wand gefahren haben. Und die Zukunft unserer Enkel, Mr. Literaturstar. Merken Sie sich das.«
    Und Leonard hatte es sich tatsächlich gemerkt.
    MITTWOCH
    Val war seit Dienstagmorgen nicht nach Hause gekommen. Kurz nach Mittag rief Leonard bei der Polizei an, um Vermisstenanzeige zu erstatten.
    Nachdem er fünfundvierzig Minuten lang in der Leitung gehangen hatte – aus irgendwelchen Gründen spielte das LAPD eine türkisch-nahöstlich klingende Hintergrundmusik, die sich für Leonard wie das Klagen von Gewaltopfern anhörte –, erreichte er schließlich einen Sergeant und wartete weitere zehn Minuten, während er zur Vermisstenabteilung durchgestellt wurde. Kaum hatte er dort das Alter seines Enkels mit sechzehn angegeben, verlor der Beamte jedes Interesse. Der letzte

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