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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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und fast unmerklich, so wie es der feine englische Nebel nun mal mit Vorliebe tut, in ein regelrechtes Nieseln verwandelt. Weil ich meinen Regenmantel oben im Kirchturm vergessen hatte, klebten mir jetzt Strickjacke, Bluse, Rock und Strümpfe wie vollgesogene Badeschwämme am Leib.
    Auch Gladys war über und über mit Matsch bespritzt.
    »Wir beide brauchen dringend ein Bad, altes Mädchen«, sagte ich zu ihr, als wir knirschend über den Kiesweg bis vor die Haustür fuhren.
    Vater, Daffy und Feely würden noch beim Frühstück sitzen. Gladys durch die Eingangshalle zu schieben kam nicht infrage – einerseits wegen des Drecks, andererseits, weil um diese Tageszeit Mrs. Mullets wachsame Augen in der Küchentür lauerten.
    Ich legte den Finger auf die Lippen und schob Gladys geräuschlos ums Haus herum auf die Ostseite, wo ich sie unter meinem Schlafzimmerfenster an die Wand lehnte.
    »Warte hier! Ich sondiere erst mal die Lage«, raunte ich.
    Ich lief wieder ums Haus herum und schlüpfte in die Eingangshalle.
    Ich hätte mir keine Sorgen machen müssen. Im Esszimmer herrschte die übliche Frühstücksstille. Vater brütete wahrscheinlich über der neuesten Briefmarkenpostille, und Daffy steckte die Nase inzwischen bestimmt in Der Mönch , den ihr Carl Pendracka zu Weihnachten geschenkt hatte. Garantiert nicht ohne irgendwelche Hintergedanken.
    Wollte er sie damit um Unterstützung bei seinem Werben um Feelys Hand bitten? Oder war Daffy womöglich selbst seine zweite Wahl? Mit dreizehn war Daffy noch viel zu jung zum Heiraten, andererseits waren Amerikaner wesentlich geduldiger als wir Briten, die wir nach sechs Jahren Krieg die Welt regieren wollten, und zwar sofort, zumindest laut Clarence Mundy, der das einzige Taxi in Bishop’s Lacey fuhr. Er hatte etwas Entsprechendes geäußert, als er Mrs. Mullet und mich neulich nach Hinley gebracht hatte, wo wir Ersatz für einen Kupfertopf beschaffen wollten, den ich bei einem chemischen Experiment ruiniert hatte (es war unter anderem um die Konservierung von Froschhäuten gegangen).
    »Kriegsbräute!«, hatte er geschimpft. »Diese Amerikaner denken an nichts anderes, als sich mit einer Kriegsbraut aus dem Staub zu machen. Wenn das so weitergeht, bleibt für unsere eigenen Jungs nichts mehr übrig.«
    »Die Bombe ist schuld«, hatte Mrs. Mullet erwidert. »Sagt mein Alf jedenfalls immer. Seit die Amerikaner die Bombe haben, hat alle Welt Angst vor ihnen.«
    »Hmpf!«, hatte Clarence gegrummelt und danach gar nichts mehr gesagt.
    Ich erklomm auf Zehenspitzen die Treppe zum Ostflügel, wo sich mein Labor und mein Schlafzimmer befanden. Alle Schlafzimmer auf Buckshaw waren riesige, zugige Einöden, die eher als Landeplätze von Luftschiffen als zum süßen Träumen taugten. Meines war noch abgeschiedener und trostloser als die meisten übrigen.
    Überhaupt war dieser Teil des Hauses so gut wie unbewohnt. Die unbeheizten Zimmerfluchten, die aufgeworfenen Fußböden, die vorhanglosen, blinden Fenster, durch die es fürchterlich zog, die welligen Tapeten und der leise Schimmelgeruch – all das machte den Ostflügel zum idealen Rückzugsgebiet. Hier hatte ich Ruhe und Frieden, so viel ich nur wollte.
    Ich zog das Laken von meinem Bett und bastelte mir unter Zuhilfenahme einiger alter Häkeldecken ein langes Seil mit einer großen Schlinge am Ende.
    Dann öffnete ich das Fenster und ließ die Schlinge hinunter, bis ich Gladys’ Lenker wie mit einem Lasso eingefangen hatte.
    »Sachte, ganz sachte!«, ermahnte ich mich flüsternd, als ich sie behutsam an der Außenwand hochzog und durchs Fenster ins Zimmer hievte.
    Schneller, als man »Zyankali!« sagen kann, lehnte Gladys am Fußende meines Bettes, mit verdreckten Schutzblechen und noch ein bisschen schwindlig von ihrer Luftpartie, aber froh, unter Dach und Fach zu sein.
    Ich zog das Grammofon auf, kramte aus dem Stapel unter meinem Bett eine Aufnahme von »Wer bei der Arbeit pfeift« hervor und senkte die Nadel auf die zerkratzten Rillen.
    Dann holte ich im Labor einen Eimer Wasser, kippte ihn in die blecherne Sitzwanne und schrubbte Gladys mit einem Luffaschwamm. Um an die kniffligen Stellen zu gelangen, benutzte ich meine Zahnbürste.
    Obwohl sie kitzlig war, tat Gladys so, als ginge sie das alles nichts an. Niemand gibt gern zu, dass er kitzlig ist. Wenn ich daran denke, wie mich Feely und Daffy immer durchkitzelten, bis ich Schaum vorm Mund hatte, läuft es mir jedes Mal kalt den Rücken runter.
    »Ganz ruhig«, sagte ich

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