Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
Vom Netzwerk:
glatt verschlafen! Jetzt musste ich noch einmal fast vierundzwanzig Stunden warten, und bis dahin hatte die Polizei bestimmt schon …
    »Guten Morgen, Flavia«, sagte jemand neben mir. Mir blieb fast das Herz stehen.
    »Dogger! Ich hab gar nicht mitgekriegt, dass du im Zimmer bist.«
    »Ich wollte dir keinen Schreck einjagen. Hast du gut geschlafen?«
    Er erhob sich schwerfällig vom Stuhl und streckte die steifen Glieder. Er musste die ganze Nacht an meinem Bett zugebracht haben.
    »Wunderbar, vielen Dank. Ich habe es gestern wohl ein bisschen übertrieben.«
    »Allerdings«, pflichtete er mir bei. »Aber ich glaube, heute Morgen geht es dir schon viel besser.«
    »Dank deiner Unterstützung, ja.«
    »In zehn Minuten frühstücke ich unten in der Küche. Es gibt Tee und Toast. Wenn du mir Gesellschaft leisten möchtest …«
    »Und ob!« Ich war mir der Ehre vollauf bewusst.
    Als Dogger gegangen war, wusch ich mir das Gesicht und flocht mir die Zöpfe neu. Ich ging sogar so weit, dass ich um jedes Zopfende eine nagelneue weiße (wegen Ostern) Schleife band. Nachdem Dogger meinetwegen eine schlaflose Nacht gehabt hatte, fand ich es nur recht und billig, in anständigem Aufzug am Frühstückstisch zu erscheinen.
    Wir saßen am Küchentisch, Dogger und ich. Die übrigen Hausbewohner waren noch nicht wach, und Mrs. Mullet würde erst in einer Stunde aus dem Dorf kommen.
    Zwischen uns hatte sich ein, wie Dogger es nannte, »kameradschaftliches Schweigen« ergeben, ein kleiner Abschnitt Zeit, in dem keiner von uns das Bedürfnis hatte, etwas zu sagen.
    Abgesehen vom Kratzen unserer Messer auf den gerös-teten Brotscheiben und dem leisen Ticken des silbernen Toasters, dessen rot geschlängelte Eingeweide das Weißbrot bräunten, war es absolut still. Ich sann darüber nach, wie die Hitze den Zucker im Brot auf wundersame Weise dazu bewog, mit seinen Aminosäuren zu reagieren und eine ganze Bandbreite neuer Aromen zu erschaffen. Maillard-Reaktion nannte sich das Ganze, nach dem französischen Chemiker Louis-Camille Maillard, der sich sowohl mit dem Bräunen von Brot als auch mit dem Bräunen menschlicher Leiber beschäftigt hatte.
    Als ich die Zähne in die köstliche Kruste versenkte, ging mir plötzlich auf, dass ein warmer Toast frisch aus dem Toas-ter geschmacklich jenen Vertretern seiner Gattung, die erst von weither an den Tisch getragen wurden, haushoch überlegen war. Ich spürte, dass sich in diesem Gedanken noch eine tiefergehende Erkenntnis verbarg, die sich mir aber in diesem Moment nicht erschließen wollte.
    Schließlich war ich es, die das Schweigen brach.
    »Hast du schon mal von einem Adam Sowerby gehört, Dogger?«
    »Soweit ich weiß, ist er ein Freund deines Vaters. Die beiden sind zusammen zur Schule gegangen. Er ist inzwischen ein bekannter Botaniker.«
    Ein Freund von Vater? Wieso hatte mir Adam das nicht erzählt? Und warum hatte auch Vater seinen Namen noch nie erwähnt?
    »Seine Arbeit führt ihn oft in alte Kirchen«, fuhr Dogger fort, ohne mich anzuschauen.
    »Weiß ich. Er hofft, im Grab des heiligen Tankred alte Blumensamen zu finden. Er hat mich gestern mit dem Auto ins Dorf mitgenommen.«
    »Stimmt«, brummte Dogger. Er nahm sich noch einen Toast und bestrich ihn mit chirurgenhafter Präzision mit Honig. »Ich habe euch aus dem Fenster im Obergeschoss gesehen.«
    Als ich das Esszimmer betrat, blickte niemand auf. Vater, Feely und Daffy saßen da wie immer, jeder in seinem eigenen unsichtbaren Abteil.
    Der einzige Unterschied zu sonst bestand in Feelys Aussehen: Ihr Gesicht war kalkweiß, und sie hatte violette Ringe um die roten Augen. Sie hatte zweifellos die ganze Nacht damit zugebracht, um den verstorbenen Mr. Collicutt zu trauern. Ich konnte das Kerzenwachs förmlich riechen.
    Doch offenbar hatte sie Vater die Neuigkeit von dem tragischen Todesfall noch nicht mitgeteilt – gerade so, als müsste sie ein kostbares Geheimnis bewahren.
    Ich fröstelte unwillkürlich. Wie hieß die alte Redensart doch gleich? Als wäre jemand über mein Grab gegangen.
    Ich setzte mich und lüftete den Deckel des praktischen Speisewärmers. An jenem Morgen bestand der Hauptgang aus Mrs. Mullets Spezialomelettes: platten, bleichen, zähen Pfannkuchen mit roten und grünen Paprikastückchen darin. Wenn Vater nicht dabei war, nannten wir die Dinger »überfahrene Kröten«.
    Ich spießte eins der unförmigen Ungeheuer auf, ließ es auf einen Teller fallen und schob ihn Feely hin.
    Sie schlug die Hand vor den

Weitere Kostenlose Bücher