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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Geistesblitze, die der Angst vor Strafe entspringen. Mein Regenmantel hing noch im Kirchturm! Vielleicht konnte ich ihn mir unbemerkt wieder holen und auf dem Heimweg die verdreckten Lumpen darunter verstecken, in die sich meine Kleider verwandelt hatten.
    Am Turm drehte ich mich noch einmal um. Cynthia hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Weiß und starr stand sie da, wie die Engelsfiguren ringsum.
    Mit dem Rücken zur Mauer schob ich mich um den Turm herum. Ein kurzer Blick verriet mir, dass Sergeant Woolmer seitlich, mit den Füßen im Gras, auf dem Rücksitz des Vauxhall saß und etwas in sein Notizbuch schrieb.
    Ich machte mich dünn wie ein Blatt Papier, schlängelte mich um die Ecke und flitzte zur Kirchentür. Falls jemand unter dem Vordach stehen sollte, war ich geliefert.
    Das Schicksal war mir gnädig. Dort war niemand, und der Kirchenraum selbst lag in finsterer Stille. Allem Anschein nach ging die Polizei immer noch in der Krypta ihrer Arbeit nach.
    Ich huschte die Wendeltreppe zur Glockenstube hoch. Mein Regenmantel hing noch an seinem Haken.
    Ich faltete ihn zu einem flachen Bündel zusammen und schob ihn unter das, was von meinem Pullover noch übrig war. Wozu in dem schreiend gelben Ding unnötig Aufmerksamkeit erregen!
    Falls ich auf dem Weg hinaus jemandem begegnen sollte, würde ich die Arme um den Bauch schlingen und irgendeine Ausrede vorbringen. Magenschmerzen zum Beispiel. Ich würde alles auf Mrs. Mullets klumpigen Maisbrei schieben.
    Schon wendelte ich wieder abwärts, blieb aber auf jeder Stufe stehen und lauschte.
    Sergeant Woolmer war immer noch in sein Notizbuch vertieft. Wie ein geölter Blitz sauste ich zur Tür hinaus und hinter den Turm. Obwohl das angeblich Unglück brachte, umrundete ich die Kirche entgegen dem Uhrzeigersinn (»gegenläufig«, wie es Daffy nannte)und hielt nur einmal kurz an, bevor ich um die Ecke zur Nordseite bog. Aber die Luft war rein. Cynthia Richardson war verschwunden.
    Gladys sonnte sich behaglich. Ich schob sie langsam über den Friedhof, wobei ich zwischendurch immer wieder hinter den verwitterten Grabsteinen in Deckung ging. Dabei folgte ich dem gewundenen Flussufer nach Südwesten. In meiner ohnehin nicht sonderlich farbenfrohen Kleidung, der die Schmutzflecken und -streifen ein zusätzliches Tarnmuster verliehen, war ich nahezu unsichtbar. Als wir an der Friedhofsmauer ankamen, hob ich Gladys hinüber und setzte sie auf der anderen Seite behutsam ab. Im nächsten Augenblick sausten wir frohgemut über die Landstraße in Richtung Buckshaw.
    Als ich die Kastanienallee entlangradelte, fiel mir zum ersten Mal auf, wie heruntergekommen unser Anwesen inzwischen aussah. Das Gras war nicht gemäht, der Kies nicht geharkt, die Hecken waren nicht geschnitten und die Fenster nicht geputzt. Das Ganze sah so vernachlässigt aus, dass mir schier das Herz wehtat.
    Das sollte kein Vorwurf gegen Vater sein. Die Geldknappheit hatte ihn gezwungen, seine persönliche Welt so drastisch einzuschränken, bis ihm kaum mehr als sein kleines Arbeitszimmer geblieben war: eine bescheidene Oase – oder eher eine Gefängniszelle? –, in der er sich vor den Anforderungen der Außenwelt hinter eine Barrikade aus alten, beruhigend beständigen Briefmarken flüchten konnte.
    Auch Dogger konnte nichts dafür. Er arbeitete so viel, wie er körperlich und seelisch verkraften konnte. Manchmal, wenn er sich der Gärtnertätigkeit gewachsen fühlte, sahen Haus und Umgebung so schmuck aus wie in jenen längst vergangenen Tagen, als Buckshaw für Country Life fotografiert worden war. Zu anderen Zeiten erlaubten es ihm seine strapazierten Nerven gerade noch, sein Amt als Vaters Kammerdiener zu verrichten. Dann war zumindest ich dankbar dafür, dass er sich immerhin um Vaters Schuhe kümmerte.
    Der Campinghocker stand nicht mehr auf der Wiese. Dogger war verschwunden, wohin auch immer.
    Jetzt kam es abermals drauf an, die Eingangshalle ungesehen zu durchqueren und nach oben zu gelangen. Wenn Daffy oder Feely den beklagenswerten Zustand meiner Kleider sahen, würden sie sofort Vater auf den Plan rufen, und wenn Vater mich so erblickte … Beim bloßen Gedanken an die gesalzene Gardinenpredigt zuckte ich zusammen.
    Zum Glück war mein Regenmantel von den Schauern des Vortags sauber gewaschen. Ich schlug den Kragen hoch und knöpfte ihn von oben bis unten zu. Wer weiß? Vielleicht wurde ich sogar dafür gelobt, dass ich mich so warm angezogen und obendrein trocken geblieben war.
    Das einzige

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