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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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sogar als Heldin gefeiert werden, mit einem Festbankett zu meinen Ehren, mit Tischreden von Vater, dem Vikar, dem Bischof und vielleicht sogar von Richter Ridley-Smith höchstpersönlich. Alle würden mir für meinen Mut und meine Beharrlichkeit danken und so weiter.
    »Enkomion« nannte Daffy solche Lobeshymnen. Mir war schon lange kein Enkomion mehr zuteilgeworden.
    Wenn überhaupt je.
    Ich stieg die Treppe hoch, wobei ich immer wieder stehen blieb und horchte, ob von irgendwoher ein noch so winziges Lebenszeichen wahrzunehmen war.
    Es ist völlig egal, ob es sich um ein ganzes Haus oder nur um eine einzelne Schublade handelt – in den Sachen anderer Leute herumzuschnüffeln macht immer einen Heidenspaß. Einerseits hatte ich schreckliche Angst, andererseits amüsierte ich mich prächtig. Wenn ich mich getraut hätte, hätte ich ein fröhliches Liedchen gepfiffen.
    Oben führte ein langer Gang wie in einem Ozeandampfer nach rechts in unbekannte Fernen. Der Fußboden bestand aus fleckigem Linoleum. Vermutlich befanden sich hier die Schlafräume, in denen jeweils ein wuchtiges Himmelbett, ein Tisch mit Wasserkrug und Waschschüssel und ein Emaillenachttopf standen.
    Ein flüchtiger Blick durch etliche der vielen Türen bestätigte meine Vermutung.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Treppenabsatzes versprach eine solide Tür mit einem kleinen Bullauge einen ebenso langen Korridor in die entgegengesetzte Richtung. Wahrscheinlich ging es dort zu den Zimmern der Bediensteten. Ich wölbte die Hände um die Augen und spähte durch das Glas, aber dahinter war es stockdunkel. Ich konnte nichts erkennen.
    Als ich den Türknauf drehte, schwang die Tür zu meiner Überraschung auf.
    Dahinter hing ein zweiteiliger grüner Samtvorhang, der, dem muffigen Geruch nach zu urteilen, zum letzten Mal gereinigt wurde, als Heinrich VIII. noch Junggeselle gewesen war.
    Ich zog ihn mit spitzen Fingern auf und stellte fest, dass ich vor der nächsten Tür stand. Auch diese Tür besaß ein Bullauge, das jedoch, anders als das erste, aus Milchglas bestand.
    Abermals betätigte ich den Knauf, aber diese Tür ließ sich nicht öffnen.
    Immer diese abgeschlossenen Türen! Erst die Tür zum Gang unter dem Friedhof, und jetzt schon die dritte hier in diesem Haus, schoss es mir durch den Kopf.
    War das wirklich bloßer Zufall?
    Normalerweise wäre ich sofort nach unten in die Küche gelaufen, hätte mir eine Gabel und eine Flaschenbürste geschnappt und mich an die Arbeit gemacht.
    Leider handelte es sich wieder um ein Sicherheitsschloss.
    Wenn ich in diesen Flügel vordringen wollte, musste ich wohl oder übel an der Hauswand hochklettern. Es sei denn, es gab noch ein zweites Treppenhaus.
    Enttäuscht legte ich die flache Hand auf das kalte Glas.
    Dahinter schien sich plötzlich ein Licht zu bewegen, und im nächsten Augenblick sah ich, wie sich der schwarze Umriss einer Hand von der anderen Seite der Scheibe näherte und sich Finger für Finger gegen meine Hand drückte – nur dass die Finger der fremden Hand mit Schwimmhäuten verbunden waren!
    Meine Hand und die des unbekannten Wesens waren nur durch die dünne Scheibe getrennt!
    Mir stockte der Atem.
    Ehe ich mich wieder gefangen hatte, hörte ich, wie ein Riegel zurückgeschoben wurde. Der Türknauf drehte sich unerträglich langsam, und die Tür öffnete sich zentimeterweise.
    Er war klein und trug ein Tweedjackett mit weiten Knickerbockern, eine gelb karierte Weste und einen hohen Vatermörderkragen – Kleidung, wie man sie in einer alten Truhe finden mochte.
    Wie mir bereits aufgefallen war, hatte er Schwimmhäute zwischen den Fingern, und auch über seine Augenwinkel zog sich ein dünnes Häutchen. Sein Gesicht war rund, das fliehende Kinn winzig und die Zunge so groß, dass die Mundhöhle sie kaum fassen konnte. Die kleinen runden Ohren saßen ungewöhnlich tief, und seine Haut sah aus wie mit einer Wachsschicht überzogen.
    War das ein Mann oder noch ein Junge? Schwer zu sagen. Sein Gesicht war faltenlos, aber das säuberlich gekämmte Haar war schlohweiß. Wie bei Dogger, dachte ich erschrocken.
    Ich stand wie angewurzelt vor ihm, den Arm immer noch mit gespreizten Fingern erhoben, als wollte ich ein durchgehendes Pferd aufhalten.
    Einige beklemmend lange Sekunden standen wir einfach nur da und starrten einander stumm an.
    Dann machte er den Mund auf.
    »Hallo, Harriet«, sagte er.

11
    I ch bekam eine Gänsehaut. Als wäre jemand über mein Grab gegangen.
    Der arme Mann wusste

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