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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Kirchenangelegenheit gesprochen.«
    Er nickte wissend. »Wegen dem Heiligen?«
    Beinahe hätte ich meinen Tee verschüttet. »Genau. Woher weißt du das?«
    »Mr. Ridley-Smith spricht durch die Luft mit Benson.«
    »Wie bitte?«
    »Durch die Luft.« Er machte eine unbestimmte Handbewegung. »Mr. Ridley-Smith spricht mit Benson.«
    »Verstehe«, sagte ich, obwohl ich keinen Schimmer hatte, was er meinte.
    »Der Heilige darf nicht geweckt werden!«, sagte er mit unerwartet lauter und schroffer Stimme. Ich begriff, dass er seinen Vater nachahmte.
    »Warum denn nicht?«, fragte ich.
    Er gab keine Antwort, sondern starrte an die Decke.
    »Psst!«, machte er.
    Auch meinen Ohren war nicht entgangen, dass sich das Grundgeräusch des Zimmers verändert hatte. Es war, als sei der Raum plötzlich größer geworden; außerdem lag ein Summen in der Luft … oder ein Rauschen …
    »Ottorino Respighi«, verkündete eine dumpfe, tonlose Stimme, die aus dem Nichts zu kommen schien. »Die Pinien und Brunnen von Rom.«
    Den Worten fehlte jeder Ausdruck, als würde den Sprecher allein das bloße Atmen erschöpfen. Außerdem sprach er »Respighi« falsch aus.
    Es machte Klick!, dann hörte man das leise Knacken einer Nadel in den Rillen einer sich drehenden Schallplatte.
    Blechern klingende Musik setzte ein. Es dauerte eine Weile, bis ich eine vergitterte Öffnung oben in der Wand als Quelle der Klänge ausgemacht hatte.
    »Was …«, fing ich an, aber er hob mahnend die Hand.
    »Hör zu!« Er legte den schwimmhäutigen Finger auf die Lippen.
    Vielleicht kommt ja gleich noch eine Ansage, dachte ich. Jedenfalls waren wir offensichtlich nicht allein im Haus. Die matte Stimme hatte keinem BBC-Ansager gehört, und sie klang auch nicht nach einem bischöflichen Justiziar oder Richter.
    Was, wenn der Betreffende mich hier erwischte?
    Die Pinien und Brunnen von Rom spulten sich weiter ab und lieferten die dramatische Untermalung zu meinen fieberhaften Gedanken.
    Wer hielt diesen unglücklichen Mann hier oben gefangen? Und warum? Warum musste er sich Musik über einen versteckten Lautsprecher anhören? Wer war Benson? Warum durfte der Heilige nicht geweckt werden?
    »War das Benson, der da eben gesprochen hat?«, fragte ich, aber er legte wieder nur den Finger an die Lippen und machte energisch: »Pssst!«
    Soll ich ihm zur Flucht verhelfen?, überlegte ich. Ich könnte ihn durch die beiden Türen führen, die Treppe hinunter, durch die Eingangshalle und ins Freie. Ich würde ihm auf den Sattel von Gladys helfen, und er würde sich an meiner Taille festhalten können, wenn wir nach Nether-Wolsey hinunterrollten. Dann würde ich im Stehen in die Pedale treten und uns beide hinauf nach Bishop’s Lacey strampeln. Ich würde ihn ins Pfarrhaus bringen und …
    »Halt mal!«, meldete sich eine innere Stimme. »Die Tür zu diesem Zimmer war verriegelt. Er hat dich hereingelassen !«
    Wer von uns beiden war hier eigentlich der Gefangene?
    Wenn man die zweite Tür mit einem Riegel von innen öffnen konnte, wozu war sie dann da? Sollte sie dafür sorgen, dass irgendwer draußen blieb?
    Konnte man die erste Tür ebenfalls von innen öffnen? War auch sie mit einem Riegel versehen? Mir war nichts aufgefallen. Jedenfalls war sie nicht zugesperrt gewesen. Vielleicht hatte ja Benson oder wem die körperlose Stimme auch gehören mochte, sie versehentlich offen gelassen.
    Zwei Türen, zwei Schlösser: eines offen, das andere nicht.
    Es war wie die Rätsel im Jahrbuch für Mädchen.
    Ich dachte immer noch darüber nach, als die Musik verklang.
    »Musik erzieht. Musik bezähmt das wilde Tier«, verkündete mein Gastgeber (oder war er eher mein Gefängniswärter?), und abermals glaubte ich, aus seinem Tonfall die Nachahmung einer schroffen Stimme herauszuhören.
    Doch ehe ich ihm die nächste Frage stellen konnte, meldete sich die körperlose Stimme wieder, übertönte das Rauschen und Knacken des Lautsprechers.
    »Peter Iljitsch Tschaikowsky. Schwanensee -Ouvertüre.«
    Es schepperte dumpf, als hätte jemand nebenan einen Teller fallen lassen.
    »Kommando zurück!«, befahl die Stimme, und eine beklommene Stille trat ein.
    »Franz Schubert«, sagte die Stimme schließlich ausdruckslos. »Der Tod und das Mädchen.«
    Wieder senkte sich die Nadel in eine Schallplattenrille, und die Klänge des Streichquartetts drangen durch das siebähnliche Gitter vor dem Lautsprecher.
    Der Tod und das Mädchen? Soll das eine Warnung sein?
    In was für ein Irrenhaus war ich da

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