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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Töchter ohne Ausnahme und ohne Entschuldigung pünktlich und ordentlich hergerichtet zum Abendessen erschienen. Wegen meiner Saumseligkeit (»Saumseligkeit« gehörte zu jenen gehobenen Ausdrücken, die mir Daffy gern an den Kopf warf) musste Mrs. Mullet jetzt länger bleiben und Vater, der verzweifelt versuchte, unsere Ausgaben zu verringern, indem er ihre Arbeitsstunden verringerte, hatte obendrein noch ihre Überstunden zu bezahlen.
    Doch noch bevor ich ans Mulford-Tor kam, spürte ich, dass etwas nicht stimmte. Gleich dort, wo die Zufahrt nach Buck-shaw abbog, hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt.
    War dort womöglich ein Unfall geschehen?
    Ich trat so kräftig in die Pedale, dass ich vor Ort beide Handbremsen voll ziehen musste und peinlicherweise nur seitlich wegrutschend zum Stehen kam, damit ich niemanden über den Haufen fuhr.
    Immer noch im Sattel, aber mit beiden Beinen auf dem Boden, watschelte ich auf die Gruppe zu und traute meinen Augen nicht.
    Vater, Feely, Daffy, Dogger und Mrs. Mullet hatten sich zu einem unregelmäßigen Kreis aufgestellt. Keiner der fünf würdigte mich auch nur einen Blickes.
    Im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit stand ein Mann in einer zu engen Weste und einem engen Zelluloidkragen. Er hatte wässrige Glupschaugen und trieb mit einem Vorschlaghammer ein Schild in den Boden.
    ZU VERKAUFEN stand in hässlichen schwarzen Buchstaben darauf zu lesen.
    Wumm! Wumm! Wumm!, dröhnte der Hammer, und jeder Schlag bohrte sich mir wie ein Pfahl ins Herz.
    Buckshaw sollte verkauft werden! Das durfte nicht wahr sein!
    Ja, man hatte uns bereits damit gedroht, und Vater hatte uns schon mehrfach vorgewarnt, dass er sein zähes Ringen mit den Finanzbeamten verlieren könnte, die er, als er ausnahmsweise mal heiterer Stimmung war, »die Blutsauger Ihrer Majestät« genannt hatte. Aber irgendwie hatte sich immer wieder ein Ausweg aufgetan.
    Erst vor ein paar Monaten beispielsweise war in unserer Bibliothek eine seltene Quarto-Ausgabe von Shakespeares Romeo und Julia aufgetaucht, aber weil auf dem Vorsatzblatt Vaters und Harriets verschlungene Initialen standen – das Buch war eine Erinnerung an ihre Verlobungszeit –, hatte Vater sich nicht davon trennen wollen.
    Der Schauspieler Desmond Duncan hatte ihn förmlich bekniet und ihm ein Wahnsinnsangebot nach dem anderen unterbreitet, aber Vater hatte alles rundweg abgelehnt. Dann war das Britische Museum an ihn herangetreten und hatte ihm eine Summe geboten, mit der man wahrscheinlich das ganze Städtchen Stratford-upon-Avon bis zum letzten Schwan hätte aufkaufen können.
    Aber Vater ließ sich nicht umstimmen.
    Und jetzt war es so weit gekommen!
    Manchmal hätte ich ihn am liebsten am Kragen gepackt und durchgeschüttelt, bis die Federn geflogen wären.
    »Verdammter Sturkopf!«, hätte ich ihn angebrüllt.
    Aber wenn die Vernunft wieder in mein überhitztes Hirn zurückschwappte, fiel mir jedes Mal auf, wie ähnlich wir uns im Grunde waren und dass mich mein Vater immer am meis-ten auf die Palme brachte, wenn er sich genauso aufführte wie ich mich.
    Das war zwar völlig widersinnig, aber so war es nun mal.
    Und nun standen wir hier allesamt auf der Straße herum wie die Bauerntrampel auf dem Jahrmarkt und schauten zu, wie ein Fremder ein Schild in unseren angestammten Grund und Boden rammte.
    Erst jetzt, als ich begriff, dass es meine Familie, einen wie den anderen, aus dem Haus getrieben hatte und sie alle die ganze lange Kastanienallee bis zum Mulford-Tor heraufgekommen waren, um mit anzusehen, wie der Gerichtsvollzieher unser Eigentum an sich riss, traf mich der Ernst der Lage mit voller Wucht.
    Es war das erste Mal überhaupt (soweit ich mich erinnern konnte), dass wir alle derart vereint zusammenstanden.
    Ja, da standen wir nun, wir vier de Luces mit grimmigen Gesichtern, aber auch Dogger knirschte mit den Zähnen, und Mrs. Mullet war in Tränen aufgelöst.
    »Ich find das nicht richtig!«, schluchzte sie kopfschüttelnd. »Ich find das einfach nicht richtig.«
    Sonst sagte niemand ein Wort.
    Nach einer Weile trat Vater langsam den Rückweg an, gefolgt von Feely und Daffy und schließlich auch von Dogger.
    Der Gerichtsvollzieher klopfte sich nach getaner Arbeit den Staub von den Händen und warf den Hammer in den Kofferraum eines schmutzigen Ford Anglia, der am Straßenrand parkte. Kurz darauf war er verschwunden.
    Mrs. Mullet und ich standen schweigend nebeneinander in der Dämmerung.
    »Ich hab dir dein Essen warm gestellt,

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