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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Korken mit dem Daumen herausgeschoben hatte, goss sie zwei Fingerbreit einer rotbraunen Flüssigkeit in ein bereitstehendes Glas.
    »Für meine Stimmbänder«, verkündete sie und kippte den Inhalt mit einem einzigen Schluck herunter.
    Anschließend gab sie übertriebene Gurgelgeräusche von sich, als wollte sie mich von ihrer Aussage überzeugen.
    Ich erkannte den Geruch von Sherry sofort. Mrs. Mullet goss zu Weihnachten immer einen Schuss davon in den Plumpudding sowie in ihren, wie sie ihn nannte, »Sündigen Eintopf«.
    »Die Stimmbänder brauchen hin und wieder eine kleine Belohnung.« Miss Tanty drückte den Korken wieder in die Flasche. »Man muss sie behandeln wie dressierte Löwen: die Peitsche immer dabei, aber ab und zu gibt’s ein Leckerli.«
    War das die gleiche Miss Tanty, die sich ausruhen und zu der der Doktor kommen musste? Die Miss Tanty, der man eine Injektion zum Schlafen verabreichen musste?
    Wenn das stimmte, dann war sie innerhalb erstaunlich kurzer Zeit schon die zweite Frau in Bishop’s Lacey, die eine Spritze gebraucht hatte. Die erste war Cynthia Richardson gewesen, die sich auf dem Friedhof zu Tode erschreckt hatte. Und jetzt Miss Tanty, der in der Kirche der Schreck ihres Lebens eingejagt worden war.
    Die gleiche Miss Tanty, die vor meinen Augen ihre Stimmbänder mit einem Schluck Sherry kurierte.
    »Tut mir leid, dass ich einfach so reinplatze«, sagte ich, ohne Miss Gawl zu erwähnen. »Ich wusste ja, dass Sie von dem Blut in der Kirche und so weiter einen Schock erlitten haben. Da wollte ich …«
    »Red keinen Stuss!« Sie fixierte mich mit flackerndem Blick. »Ich war nicht schockierter als du.«
    »Aber …«
    Sie lachte wieder. Ihr Leib wackelte, auf ihrer Haut bildeten sich Schaumkronen.
    »Natürlich hab ich mir die größte Mühe gegeben, dass es so aussieht. Ein Zitat aus der Offenbarung verfehlt selten seine Wirkung. Andererseits … so groß war die Mühe nun auch wieder nicht. In einem Dorf bewirkt ein einziger Telefonanruf genauso viel wie eine Schlagzeile in der Times .«
    »Aber … «
    »Das war alles nur gespielt, Schätzchen. Eine Aufführung! Und zwar eine umwerfend gute, wenn ich mich selbst loben darf. Besonders stolz bin ich darauf, dass sogar du darauf reingefallen bist. ›Vergib mir, o Herr‹ – das hat dich überzeugt, stimmt’s? Du kannst es ruhig zugeben. Und dass ich mich dann noch mit der Flüssigkeit bekreuzigt habe, war ein echter Geniestreich – auch wenn ich einen Augenblick lang dachte, jetzt hättest du mich durchschaut.«
    In meinem Kopf schlugen die Gedanken reihenweise Purzelbäume. Ich kam mir vor, als sei ich soeben beim Sackhüpfen als Letzte ins Ziel gehechelt. Diese widerliche alte Frau hatte mich mit meinen eigenen Waffen geschlagen.
    »Mich überzeugt?«, brachte ich mühsam hervor. »Von wegen! Warum wäre ich sonst hier?«
    Es war nur ein schwacher Gegenschlag, aber unter den gegebenen Umständen bekam ich es nicht besser hin.
    Miss Tantys Wellengang hatte sich unterdessen zu einem ausgewachsenen Tropensturm aufgeschaukelt.
    »Meine Güte!« Sie nahm die Brille ab und tupfte sich mit dem Zipfel des malvenfarbenen Bettbezugs die nassen Augen. »Meine Güte aber auch!«
    »Warum …«, fragte sie dann und deutete auf das Bücherregal, »warum sollen wir eigentlich Miss Wie-heißt-sie-doch-gleich allen Detektivruhm allein überlassen?« Erst jetzt fiel mir auf, dass ihre Bibliothek ausschließlich aus Kriminalromanen in grünen Taschenbuchausgaben bestand – wie die Bände, die Daffy ganz hinten in ihrer Unterwäscheschublade vor neugierigen Blicken verbarg.
    »Ich habe mich schon immer für eine ausgesprochen intelligente Frau gehalten«, fuhr Miss Tanty fort. »Nicht direkt genial, aber nahe dran. Ich bin immer die Erste, die rauskriegt, wer die vergifteten Pflaumen im Plumpudding versteckt hat, wer die umgedrehten Fußabdrücke in der Pferdekoppel hinterlassen hat und lauter solche Sachen. Genau wie du«, setzte sie nach einer kurzen Pause hinzu und funkelte mich vernichtend und plötzlich sehr konzentriert an.
    Mir rutschte das Herz in die Hose.
    Ich hatte eine Konkurrentin.
    »Tja, da haben wir drei also hemmungslos drauflos ermittelt und waren doch so klug als wie zuvor!«
    Wir drei? Was redete die Frau da?
    »Aber ich hatte die Nase vorn, würde ich behaupten. Ich lag auf den Knien und hatte eine Probe von dem, was Jack the Ripper, glaube ich, ›das rote Zeug‹ nannte, am Finger, auf dem Kragen und – du musst zugeben, dass

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