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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Untermieter mehr, aber einer, der zu nachtschlafender Zeit auf und ab wandert, ist für einen Steinmetz, der den ganzen Tag schwer schuftet und vor Tau und Tag aufstehen muss, auch kein leichtes Los.«
    »Zu nachtschlafender Zeit?«, fragte ich. »Warum hat er das gemacht?«
    »Weil es ihn umgetrieben hat, nehme ich an. Wahrscheinlich schwirrten ihm lauter Harmonien und Kontrapunkte durch den Kopf. Ich weiß, dass er manchmal auch in die Kirche hi-nüberging. Wenn der Wind von Westen kam, hörte ich zu den unmöglichsten Zeiten Orgelklänge herüberwehen. Nicht nur einmal habe ich daran gedacht, dem guten Mann eine Thermosflasche mit heißem Tee zu bringen, aber ich wollte ihn nicht stören. Die Musik kann eine strenge Geliebte sein, weißt du?«
    Sie fixierte mich mit einem riesenhaften Auge.
    Wollte sie mich aushorchen?
    Auch Daffy hatte sich gelegentlich zum Thema »Geliebte« geäußert, aber ich fand solche Damen nicht halb so spannend wie sie. Solange kein Mord im Spiel war oder Gift, so wie im Fall der Madame de Brinvilliers und des Chevaliers de Sainte-Croix, war es mir schnurzegal, was andere Leute in ihrer Freizeit trieben.
    »Ich wandere selbst manchmal zu nachtschlafender Zeit umher«, sprach Miss Tanty weiter. »Es heißt zwar, Nachtluft sei schädlich für die Stimme, aber man kann ja auch mit geschlossenem Mund spazieren gehen und gleichmäßig durch die Nase atmen.«
    Bei der Vorstellung, wie Miss Tanty nächtens mit geschlossenem Mund durchs Dorf geisterte und gleichmäßig durch die Nase atmete, überlief es mich kalt.
    Kein Wunder, dass die Leute Gespenster gesehen hatten!
    Die geheimnisvollen Lichter, die die Männer vom Luftschutz und der Brandwache angeblich während des Krieges auf dem Friedhof gesehen hatten, waren vermutlich einfach nur Miss Tantys gigantische Brillengläser gewesen, in denen sich der Mond gespiegelt hatte.
    Oder hatte es sich doch um etwas Ernsteres gehandelt?
    »Ich mach mich dann mal wieder auf den Weg«, sagte ich. »Ich finde allein raus. Freut mich, dass es Ihnen schon wieder besser geht, Miss Tanty.«
    Meine schamlose Anbiederei kam mir vor, als spielte man noch weiter, obwohl die letzten Zuschauer den Theaterpavillon bereits verlassen haben. Aber meine gespielte Anteilnahme sollte die Tür für eine eventuelle spätere Befragung offenhalten.
    »Denk noch mal drüber nach, was ich vorhin gesagt habe«, rief mir Miss Tanty hinterher, als ich schon an der Tür war. »Wenn wir drei uns zusammentun, können wir es mit der ganzen Welt aufnehmen!«
    Ich lächelte sie unverbindlich an und ging die Treppe hinunter, vorbei an der musikalischen Bildergalerie. Ich blieb nur kurz stehen, um den sauertöpfischen Herrn näher zu betrachten, der Miss Tanty den Pokal überreichte. Ich hatte sein Gesicht schon irgendwo gesehen, aber mir wollte nicht einfallen, wo.
    Aus lauter Übermut sprang ich die letzten drei Stufen auf einmal hinunter und landete polternd auf beiden Füßen.
    »Geronimo!«, rief ich. Diesen Schlachtruf hatten amerikanische Fallschirmspringer berühmt gemacht, jedenfalls hatte mir Carl Pendracka das erzählt.
    Im Salon richtete sich ein Mann, der an Miss Tandys Schreibtisch stand, ruckartig auf und fuhr herum. Er hatte in ihren Papieren gekramt.
    Es war Adam Sowerby.
    Aber er starrte mich nur einen Sekundenbruchteil erschrocken an, dann zog sich ein breites Grinsen über sein Gesicht.
    »Beim Jupiter! Auf frischer Tat ertappt. Du hast mir ja einen schönen Schrecken eingejagt.«
    »Sie sind Privatdetektiv«, sagte ich.
    »Tja«, erwiderte er, »ich muss wohl zugeben, dass es gewisse Aspekte in meinem Berufsbild gibt, die nichts mit Blümchen zu tun haben.«
    »Sie sind Privatdetektiv«, wiederholte ich. Ich würde mich nicht düpieren lassen, oder wie man das nannte. Ich musste Daffy noch mal fragen.
    »Wenn du es unbedingt so nennen willst, ja.«
    »Hab ich mir gedacht. Es steht ja auch auf Ihrer Visitenkarte: Recherchen.«
    »Sehr scharfsinnig von dir.«
    »Bitte reden Sie nicht so gönnerhaft mit mir, Mr. Sowerby. Ich bin kein Kind mehr. Na ja, den Buchstaben des Gesetzes nach streng genommen schon, aber ich lasse mich trotzdem nicht gern wie ein Kind behandeln.«
    »Dann werfe ich mich wohl lieber vor dir auf den Bauch und weine heiße Tränen in den Teppich«, sagte er feixend und fuchtelte wie ein Geisteskranker mit den Armen.
    Ich ging entschlossen in Richtung Haustür.
    »Flavia … warte mal.«
    Ich blieb stehen.
    »Es tut mir leid. Es ist nicht ganz

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