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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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gerüttelt Maß an Schlingen und Fußfallen. Weil ich nicht genug Zeit gehabt hatte, mich mit der Partitur zu befassen, musste ich mich auf meine Fähigkeit verlassen, vom Blatt zu singen, eine Fähigkeit, die im Allgemeinen von jenen, die mich schon mal erlebt haben, als bemerkenswert bezeichnet wird.«
    Sie machte eine Kunstpause und erntete einen bewundernden Blick von mir für diese bemerkenswerte Fähigkeit, und sogleich erzählte sie weiter.
    »Die einzige Schwierigkeit – das Haar in der Suppe sozusagen – war die Tatsache, dass mir meine Augen Ärger machten. Manchmal, vor allem bei heftigen Gefühlswallungen, sehe ich anstelle der Noten nur verschwommene Schlieren. Mir war klar, dass entweder meine Brille schnellstens korrigiert werden musste oder dass ich andere Augentropfen brauchte. Darum hatte ich einen Termin mit dem guten Mr. Gideon in Hinley ausgemacht. Sonst fährt mich immer Mildred Battle, wenn ich wieder einmal meine ›Pilgerfahrt‹, wie ich es nenne, antreten muss. Sie ist eine wahre Heilige und somit auf einer Pilgerfahrt wahrlich die passende Begleitung, findest du nicht auch?«
    Ich lächelte pflichtbewusst.
    »Aber an besagtem Morgen rief mich ihre Nichte Florence noch vor dem Frühstück an. › Tante Mildred ist krank ‹ , sagte sie. › Wahrscheinlich hat sie was Falsches gegessen. ‹ › Ojeoje ‹ , habe ich gesagt, › das tut mir aber leid. Dann muss ich wohl Clarence Mundy anrufen, dass er mit dem Taxi kommt, obwohl mir ganz schlecht wird, wenn ich daran denke, was das wieder kostet, wenn er in Hinley den ganzen Tag warten muss. ‹ Ich hätte vielleicht etwas einfühlsamer sein sollen, was Mildreds Unpässlichkeit betraf, aber so war es nun mal. Ich dachte wohl eher daran, wie zutiefst enttäuscht die Gemeinde sein würde und – jawohl – auch unser Herr Vikar, falls ich dem Benedictus meine Stimme nicht würde leihen können. Du verstehst sicherlich, in welcher Zwickmühle ich steckte, oder?«
    Ich nickte.
    »›Keine Bange‹, sagte Florence, bevor ich noch ausgesprochen hatte. ›Mr. Collicutt hat schon angeboten, Sie zu fahren, und Tante Mildred hat netterweise nichts dagegen, dass er ihren Wagen nimmt. Er holt Sie um fünf nach halb neun ab.‹«
    Ich hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass Mr. Collicutt bei Mr. und Mrs. Battle zur Untermiete gewohnt hatte. Zum Glück hatte mich Miss Tanty wieder daran erinnert. Noch zwei Leute – drei, wenn ich die Nichte Florence mitzählte –, die befragt werden mussten.
    »Das kam mir natürlich wie gerufen«, fuhr Miss Tanty fort. »Mein Termin bei Mr. Gideon war um halb zehn, und auch wenn man mit dem Wagen nur zehn, fünfzehn Minuten bis Hinley braucht, bin ich lieber etwas zu zeitig da. Wenn jemand anders seinen Termin absagt, kommt man nämlich früher dran, und dann ist man natürlich auch viel früher wieder zu Hause. ›Ich warte am Gartentor‹, sagte ich zu Florence. Und daran hielt ich mich auch. Als Mr. Collicutt um neun Uhr noch nicht da war, wollte ich Florence anrufen, aber es war besetzt. Ich war außer mir. Aber als ich es um Viertel nach noch mal probierte, kam der Anruf problemlos durch. Florence nahm sofort ab und meinte, Mr. Collicutt habe das Haus Punkt halb neun verlassen. Ich war so was von sauer! Ich hätte den Kerl umbringen können …«
    Ich muss wohl ein entsetztes Gesicht gemacht haben, denn Miss Tanty wurde rot.
    »Das ist natürlich nur eine Redewendung. Ich könnte den guten Mr. Collicutt – und natürlich auch sonst niemanden – ebenso wenig umbringen, wie ich mir Flügel wachsen lassen und davonfliegen kann. Aber das weißt du ja.«
    »Klar«, erwiderte ich, aber ich behielt die Frau ab jetzt sicherheitshalber im Auge.
    Der gute Mr. Collicutt? War das die gleiche Miss Tanty, die zu mir gesagt hatte, ich solle meine Krokusse nicht vergeuden?
    Hier war irgendwas im Gange – aber es war nicht die Himmelsmacht der Liebe.
    »Er war ein äußerst fähiger Musiker, aber wie alle fähigen Musiker halste er sich oft zu viel Arbeit auf. Wenn er nicht Privatunterricht gab, mit dem Chor probte oder bei diesem oder jenem Musikwettbewerb als Preisrichter dabei war, rang er mit seinen Kompositionen. Mildred meinte, sie und George hätten ihn immer wieder oben in seinem Zimmer auf und ab gehen gehört, manchmal sogar spät in der Nacht. Wären sie nicht auf das Geld angewiesen gewesen, hätten sie ihn deswegen wohl längst zur Rede gestellt. So leicht wie in Kriegszeiten findet man heutzutage zwar keine

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