Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)
das eine Meisterleistung war – im Zeichen des Kreuzes auf meiner Stirn.«
Diese verflixte …!
»Beinahe hätte mich dieser Sowerby mit seinem Taschentuch übertrumpft. Dass er noch dran geleckt hat, war ein netter Einfall, wenn auch ein bisschen aufgesetzt. Und dann kamst du natürlich noch und hast dein Zopfband reingetunkt, in der Hoffnung, dass es niemand mitkriegt.«
Diese doppelt verflixte …!
»Da standen wir nun um den Tatort mit der Blutlache herum, wir, die drei Oberschnüffler, vom Schicksal überraschend zusammengeführt. Was für ein Bild! Was für ein unsterblicher Augenblick! Was für ein Schnappschuss für einen Buchdeckel! Zu schade, dass ich meine Kodak nicht dabeihatte!«
Was für eine Niederlage. Ich hätte froh und glücklich sein sollen, in Bishop’s Lacey eine verwandte Seele gefunden zu haben, aber ich war nicht froh und glücklich.
Ganz im Gegenteil.
Wie sollte ich Mr. Collicutts unglückseligem Ableben jemals auf den Grund gehen, wenn eine Miss Tanty mir das Wasser trübte?
Von der Polizei ganz zu schweigen.
»Wir könnten doch einen Club gründen«, fuhr Miss Tanty mit wachsender Begeisterung fort. »Wir könnten uns › Die großen Drei ‹ nennen. Oder ein Unternehmen: TSD könnten wir es nennen: Tanty, Sowerby & de Luce. Natürlich mit einem Kaufmanns-Und.«
Das ging jetzt endgültig zu weit!
Ich hatte nicht vor, den Rest meines schwer verdienten Lebens die dritte Geige für zwei Amateure zu spielen.
Amateure?
Miss Tanty hatte mich immerhin auf etwas aufmerksam gemacht, das ich bis dahin übersehen hatte – Adam Sowerby.
Ich schloss die Augen und rief mir seine Visitenkarte ins Gedächtnis. Wie hatte der Text doch gleich gelautet?
Adam Tradescant Sowerby, M. A.
Mitglied der Königlichen Gartengesellschaft
Pflanzenarchäologe
Alte Pflanzensamen – Nachzüchtungen – Recherchen
Tower Bridge, London E.1 TN Royal 1066
Recherchen!
Das war mir glatt entgangen. So was Blödes aber auch!
Der Mann war Privatdetektiv .
Das warf ein ganz neues Licht auf die Sache. Wie viel wusste er bereits über die Umstände von Mr. Collicutts Tod? Und wie konnte ich ihm seine Erkenntnisse aus den Rippen leiern?
Auch Miss Tanty war womöglich, wenn sie auf der Suche nach Hinweisen im Dorf herumgeschnüffelt hatte, eine ergiebigere Informationsquelle als zunächst gedacht.
Ich musste mich gut mit ihr stellen.
Zumindest vorläufig.
»Natürlich habe ich schon davon gehört, wie glänzend Sie den Fall der verschwundenen Stricknadeln gelöst haben.«
Mrs. Mullet hatte uns die Geschichte erzählt, als sie den Fisch auftrug. »Passt auf die Gräten auf«, hatte sie warnend gesagt. Und dann hatte sie uns den Dorfkrimi erzählt.
»Stimmt«, sagte Miss Tanty nicht ohne Stolz. »Die arme Mrs. Lucas. Sie ist immer so was von geistesabwesend . Ihr ist ums … ihr ist beim besten Willen nicht mehr eigenfallen, wo sie ihre Stricknadeln gelassen hatte. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Von jetzt auf gleich. ›Haben Sie schon in Ihrer Frisur nachgeschaut?‹, hab ich sie gefragt. Sie trägt immer einen großen Dutt, wie diese schrecklichen Tänzerinnen bei Toulouse-Lautrec. La Goulue und so weiter … Die Königin von Montmartre. Mrs. Lucas hat mir einen scheelen Blick zugeworfen, aber dann hat sie nach oben gegriffen und – siehe da! Sie hatte die Nadeln in ihre Coiffure geschoben, als der Postbote ans Tor gekommen war. ›Nein so was! Sie sind ja ein echter Sherlock Holmes‹, hat sie gesagt.«
Ich lächelte mit professioneller Höflichkeit.
»Wegen Mr. Collicutt …«, setzte ich zaghaft an.
Aber diese Pumpe musste nicht mit Gewalt in Schwung gesetzt werden. Man brauchte nur den Schwengel anzutippen, schon kam die ganze Geschichte herausgesprudelt.
»Es war an einem Dienstag. Am Dienstag vor Aschermittwoch, um genau zu sein. Genauigkeit ist wichtig, nicht wahr, Schätzchen? Wenn es um die Kunst des Beschattens geht, kann man gar nicht genau genug sein.«
Jetzt mach schon hin!, hätte ich am liebsten ausgerufen. Aber ich musste mich ja gut benehmen. Darum lächelte ich nur gequält.
»Es muss der Dienstag vor Aschermittwoch gewesen sein, weil wir am nächsten Tag in der Frühmesse Chaillots Satz des Benedictus singen sollten. Wir hatten das Stück schon eine ganze Weile geprobt, aber wie dir deine Schwester Ophelia bestätigen wird, handelt es sich um einen teuflisch schwierigen Satz. Er klingt ganz einfach, wie alle großartige Musik, enthält für den Unachtsamen jedoch ein
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