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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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gekümmert. Jedenfalls hat das der alte Beatty erzählt.«
    »Vielen Dank, Mr. Mullet.« Ich stand auf, schob meinen Stuhl zurück und schüttelte ihm die Hand. »Ich muss los. Nicht, dass sich zu Hause noch jemand Sorgen macht.«
    In Wahrheit musste ich dringend mit Dogger reden.
    Es ging um Leben und Tod.
    Als ich an St. Tankred vorbeiradelte, fiel mir eine Menschenmenge auf, die sich vor der Kirche versammelt hatte.
    Ich bremste scharf.
    Unter dem Kirchenvordach stand mit erhobenen Händen der Vikar.
    »Meine Herren … meine Herren!«, sagte er.
    Ich lehnte Gladys an die Mauer und schlich mich lautlos an. Die meisten Anwesenden stammten aus Bishop’s Lacey, einige aber nicht.
    Zu den Fremden gehörte ein großer, hagerer Mann im grauen Staubmantel. Er trug eine rote Fliege und hielt ein Notizbuch in der Hand. Neben ihm stand ein zweiter, kleinerer Mann, der genauso gekleidet war und sich einen Fotoapparat vor die Augen hielt.
    »Aber es heißt, es sei ein Wunder, Herr Vikar! Da können Sie doch bestimmt ein paar Worte dazu sagen!«
    Der Vikar versuchte erfolglos, sein vom Wind zerzaustes Haar zu bändigen. Dabei erwischte ihn ein Blitzlicht.
    »Was haben Sie gedacht, als Sie das Blut gesehen haben?«, rief ein anderer Mann. »Wir haben gehört, ein Gelähmter habe seine Krücken weggeworfen. Stimmt das?«
    Ein Raunen ging durch die Menge.
    »Ich bitte Sie, meine Herren! Alles zu seiner Zeit.«
    »Was ist mit der Leiche in der Krypta?«
    Ich sah die sensationsheischenden Schlagzeilen im Hinley-Kurier und im Posthorn am Morgen schon vor mir, und dem Vikar ging es garantiert genauso.
    LEICHE IN DER KRYPTA! HEILIGER WEINT BLUT!
    Mit derlei öffentlicher Aufmerksamkeit würde der Bischof unseren Vikar schon bald im Kanu zu seiner neuen Dienststelle den Amazonas hinaufschicken. Die Presse war erbarmungslos, aber die Kirche nicht minder.
    »Meine Herren, ich bitte Sie … heute ist schließlich Karfreitag. Ich kann nicht zulassen, dass irgendwelche profanen …«
    »Lassen Sie mich durch«, rief ich. »Es ist ein Notfall. Bitte lassen Sie mich durch!«
    Ich drängte mich durch die Menge, trat neben den Vikar, nahm ihn beim Ellbogen und raunte vernehmlich, damit es die Reporter auch ja mitbekamen: »Ich fürchte, es geht zu Ende. Der Doktor meint, sie kommt womöglich nicht durch. Sie müssen sofort kommen.«
    Ich hüpfte von einem Fuß auf den anderen und blinzelte kräftig, in der Hoffnung, eine Träne hervorzulocken.
    Der Vikar starrte mich so ungläubig an, als wäre er urplötzlich auf einem anderen Planeten erwacht.
    »Bitte!«, wimmerte ich und setzte mit anschwellendem Heulen hinzu: »Sonst ist es ZU-HU SPÄ-HÄ-HÄT !«
    Ich packte ihn am Arm, drehte ihn um die eigene Achse, zerrte ihn in die Kirche, knallte die schwere Tür zu und schob den Riegel vor.
    »Uff!«, schnaufte ich. »Die reinste Belagerung! Wie in Ivanhoe . Wir können uns durch die Sakristei rausschleichen.«
    Der Vikar sah mich mit leerem Blick an. Er stand völlig neben sich. Die ganze Geschichte forderte allmählich ihren Tribut, von seinen Sorgen um Cynthia ganz zu schweigen.
    Ich führte ihn zu einer der hinteren Bankreihen und setzte mich neben ihn.
    »Alles wird gut«, sagte ich. »Ich habe den Fall schon fast gelöst.«
    Sein Gesicht, das von den Buntglasfenstern über uns in malvenfarbenes Licht getaucht wurde, wandte sich mir widerstrebend zu.
    »Ach, Flavia … wenn es doch so wäre!«

19
    E rst als ich schon halb zu Hause war, holte mich die Empörung ein.
    »Ach, wenn es doch so wäre« – also ehrlich! Diese Worte bewiesen, dass der Vikar, trotz seiner Berufung, ein Kleingläubiger war.
    Ich hatte ihn an der Hand genommen und durch die Sakristei ins Freie geführt, war mit ihm über den Friedhof geschlichen und hatte ihn wohlbehalten an der Pfarrhaustür abgeliefert. Dann hatte ich mich hinter einem großen Grabstein versteckt und so lange gewartet, bis sich die murrende Menge allmählich auflöste und entfernte.
    Keiner der Anwesenden war auf die Idee gekommen, einen Blick hinter die Kirche zu werfen. Keiner war auf die Idee gekommen, uns auf unserer traurigen Prozession zu dem angeblichen Sterbelager zu folgen. Allesamt waren sie von meiner vorgetäuschten Mission der Nächstenliebe so gerührt, dass keiner – auch nicht der kaltschnäuzigste Zeitungsreporter – versucht hatte, die Kirchentür zu öffnen.
    Trotzdem hatte der Vikar kein Vertrauen in mich.
    Ich gebe nur sehr ungern zu, wie sehr mich das wurmte.
    Nichts

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