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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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starrten in den dunklen Schacht wie in einen Brunnen. Ein kalter, beißender Lufthauch wehte aus einer unregelmäßigen Öffnung auf halber Höhe der Gruftwand zu uns herauf. Auch die kläglichen Überreste von St. Tankreds Gewand wehten leise in der Zugluft.
    »Die Grabräuber haben ein Loch in die Wand gebrochen«, stellte ich fest.
    George Battle schob mich weg und nahm meinen Platz ein. »Oder die Wand ist eingestürzt. Das kommt in alten Kirchen öfter vor.«
    Plötzlich stand wie aus dem Boden gewachsen Adam hinter uns. Er trug eine Schirmmütze, Gummistiefel und eine Art Forscherweste mit unzähligen Taschen, in denen lauter wissenschaftliche Gerätschaften steckten. Eine klobige Kamera vervollständigte die Ausrüstung.
    »Darf ich?«, wandte er sich ohne Umschweife an den Vikar. »Ich muss als Erster da runter, bevor irgendetwas zerstört wird.«
    »Gewiss doch. Albert, holst du Mr. Sowerby bitte eine Leiter?«, sagte der Vikar zu Mr. Haskins, der hinter Adam die Gruft betreten hatte.
    »Leiter?«, fragte Mr. Haskins zurück, als hätte er das Wort noch nie gehört oder als wollte er damit nicht belästigt werden.
    »Hinten auf Mr. Battles Laster liegt eine Leiter«, sagte ich hilfsbereit. »Sogar mehrere.«
    »Norman!« Mr. Battle schaute seine Helfer an. Der lange Norman zog unter dem niedrigen Durchgang den Kopf ein und trabte los.
    Eine ganze Weile sagte niemand etwas. Alle traten von einem Fuß auf den anderen und schauten irgendwohin, wo sie keinem anderen Blick begegneten.
    Warum eigentlich?
    Ich ließ den Blick unauffällig über die verbliebenen Arbeiter schweifen. Tommy aus Malden Fenwick nutzte die Pause und zündete sich eine Zigarette an. Der andere Mann, dessen Namen ich nicht kannte, schüttelte den Kopf, als Tommy ihm die Schachtel hinhielt.
    Kein Sterbenswörtchen. Nur ein paar Männer, die ungeduldig darauf warteten, die Arbeit fortsetzen zu können.
    Dann kam Norman mit der Leiter zurück und unterbrach mit dem Klappern die Stille. Die Leiter wurde unter viel Gepolter und gedämpften Anweisungen in das Grab des Heiligen manövriert.
    Adam sprang auf den erhöhten Rand und setzte den Fuß auf eine der oberen Sprossen.
    »Wünscht mir viel Glück«, sagte er, nahm Tommy die Taschenlampe aus der Hand und kletterte nach unten.
    »Äh … Adam …«, sagte der Vikar.
    Adam, der schon fast verschwunden war, machte Halt. Er wirkte überrascht.
    »Lasset uns beten«, sagte der Vikar mit erstaunlich kräftiger Stimme, und wir senkten alle die Köpfe.
    »Herr im Himmel, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder. Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Amen.«
    »Amen«, sprachen wir ihm nach.
    Adams im Schein der Taschenlampe seltsam bleiches Gesicht blickte verdutzt zu uns herauf.
    »Nur für alle Fälle«, sagte der Vikar.
    »Danke.« Dann war Adam endgültig verschwunden.
    Ich erkannte die Worte des Vikars wieder. Sie wurden bei Beerdigungen gesprochen – Psalm 90. Aber warum hatte er jetzt ausgerechnet diesen Text gewählt? Dachte er dabei an den heiligen Tankred? An Adam? An seine kleine Hannah? Oder gar an sich selbst?
    Die Leiter zitterte, während Adam immer weiter hinabstieg. Ich spähte über den Rand der Gruft und sah ihn wieder. Er holte ein raffiniertes Blitzgerät aus der Tasche, kurz darauf wurde die Kammer, in der wir standen, von einer Reihe greller Blitze aus der Gruft durchzuckt.
    Trotzdem war von oben nicht viel zu erkennen. Ich gab mich damit zufrieden, abzuwarten und die Ohren zu spitzen. Erst blieb im Großen und Ganzen alles still, nur gelegentlich entschlüpfte Adam ein unterdrückter Ausruf. Dann fing er auf einmal zu pfeifen an.
    Ich erkannte die Melodie auf Anhieb. Es war ein Lied, das wir immer bei den Pfadfinderinnen gesungen hatten:
    Pack deine Sorgen ein
    Und schick sie zur Hölle …
    Zur Hölle? Nicht eben passend für die kirchliche Umgebung … Aber wer wohnte in der Hölle? Luzifer! Luzifers Herz …
    Niemand in der Kammer musste bei dem Lied lächeln. Die Arbeiter sahen einander verlegen an, als hätte Adam mit seinem Pfeifen, das immer noch aus der Grube heraufhallte, ein Tabu gebrochen.
    »Adam …!«, rief der Vikar nach unten.
    »Entschuldigung.« Das Wort kam aus dem Grab geweht und hing widerhallend in der

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